DOMRADIO.DE: Der Papst hat einen wichtigen Appell, ein wichtiges Schreiben für den Umweltschutz vorgestellt. Warum ist es Ihnen wichtig, heute hier in Rom zu sein?
Luisa Neubauer (Klimaaktivistin): Ich wurde eingeladen und wenn der Papst und der Vatikan einen einlädt, dann lohnt es sich zu antworten. Ganz grundsätzlich sind wir sehr verzweifelt auf der Suche nach Stimmen, die laut werden, die Aktivismus verteidigen, die ihre Macht und ihre Reichweite nutzen, um in diesen heiklen Momenten der Weltgeschichte zu appellieren und der Klimakrise Nachdruck zu verleihen. Deshalb begrüße ich, dass der Papst diese Stimme nutzt.
DOMRADIO.DE: Ist der Papst ein Verbündeter?
Neubauer: Ja, ich verstehe den Papst als Verbündeten. Die Schreiben "Laudate Deum" und "Laudato Si" machen deutlich, dass es hier im Vatikan jemanden gibt, der verstanden hat, was Sache ist.
DOMRADIO.DE: Der Papst hat darauf hingewiesen, dass es in den eigenen Reihen der katholischen Kirche immer noch Leugner der Klimakrise gibt. Das erleben Sie auch permanent. Wie geht man damit am besten um?
Neubauer: Das ist ein großes und unterschätztes Problem. Klimaleugnung hat mittlerweile die Form verändert. Nicht überall wird offensiv in Frage gestellt, dass sich irgendwas klimatisch verändert. Vielmehr wird mittlerweile geleugnet, dass wir etwas tun müssen und wie dringend es ist oder dass Lösungen funktionieren. Zum einen muss es, wie es auch Papst Franziskus tut, aus- und angesprochen werden, dass auch diese Menschen eine Art von Klimaleugnung betreiben.
Das Zweite ist, dass wir ein Übersetzungsproblem haben. Das heißt, die Klimawissenschaft erreicht die Menschen nicht in der Art und Weise, wie wir das bräuchten. Umso wichtiger ist es, dass verschiedene moralische, spirituelle, religiöse und weltliche Stimmen ihre Erzählung in die Welt setzen, um mehr Menschen zu erreichen.
DOMRADIO.DE: Dem Papst ist es sehr wichtig, neben dem Appell auch immer wieder diesen Hoffnungsaspekt in die Welt zu setzen. Wie hoffnungsvoll hat der Papst jetzt gewirkt?
Neubauer: Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass der Papst sich Zeit nimmt und versteht, dass die Zivilgesellschaft und auch wir Klimaaktivisten gebraucht werden und dass wir mittlerweile überall auf der Welt gefährdet sind.
Ich mache mir Sorgen, dass nicht erkannt wird, wie schwer es für Zivilgesellschaften geworden ist, sich für Klimagerechtigkeit zu organisieren, wie groß die Repressionen und der Gegenwind sind, die teilweise von der Politik kommen. Ich glaube, wir haben immer noch sehr viel zu tun.
DOMRADIO.DE: Hat der Papst Ihnen etwas mit auf den Weg gegeben?
Neubauer: Er hat uns ermutigt, den Humor nicht zu verlieren und mit sehr viel Nachdruck erklärt, dass uns jungen Menschen die Zukunft gehört.
DOMRADIO.DE: Können Sie eigentlich mit diesem biblischen Argument "Bewahrung der Schöpfung" selbst etwas anfangen?
Neubauer: Ja, ich bin als Protestantin hier, komme quasi von nebenan. Uns eint in der Kirche und auch spirituell, wie wir auf die Welt und in ihr leben. Uns eint die Erkenntnis, dass wir nicht "nehmen und geben", sondern dass unser Umgehen mit der Welt ein gemeinschaftliches, tiefes, inniges und abhängiges Miteinander ist.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.