DOMRADIO.DE: Wann bekommen wir eine neue Regierung?

Alexander Riedel (einer der Hauptstadtkorrespondenten der Katholischen Nachrichtenagentur, KNA): Die Parteichefs von Union und SPD sind am Samstag vor die Mikrofone getreten und haben die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche verkündet. In dieser Woche sollen wahrscheinlich die Koalitionsverhandlungen starten, in denen die Vorhaben konkreter gefasst werden. Wie konkret es dann wird, wird man sehen.
Nicht wenige fordern einen schmalen Koalitionsvertrag, der nur die wichtigsten Eckpunkte umfasst. Dahinter steht der Gedanke, dass die Welt sich rasant weiterdreht und die Politik flexibel bleiben muss. Das Motto dahinter: Was man heute festschreibt, kann morgen schon überholt sein. Ein knapper Koalitionsvertrag würde aus meiner Sicht Vertrauen voraussetzen. Nach dem harten Wahlkampf, den Union und SPD geführt haben, scheint mir das nicht ausgeprägt zu sein. Das sieht man auch daran, dass alleine das vorgestellte Sondierungspapier elf Seiten umfasst.
DOMRADIO.DE: Wahlsieger Friedrich Merz hat das Ziel ausgegeben bis Ostern eine neue Regierung zu bilden. Ostersonntag ist am 20. April. Wird das deiner Einschätzung nach etwas?
Riedel: Ich halte das für ehrgeizig, aber durchaus für möglich. Der Druck, der auf den Verhandlern lastet, ist groß. Dass die Verhandlungen schnell gehen können, haben die vergangenen Tage gezeigt. Unter dem Eindruck der Wende in der Ukrainepolitik der USA unter Trump haben die Verhandler sich zügig auf neue Schulden für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt. Damit sind einige dicke Brocken der Koalitionsverhandlungen bereits aus dem Weg geräumt.
Die Einigung zu den neuen Schulden steht allerdings noch unter Vorbehalt, bis Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben. Das soll - so zumindest der Plan von Union und SPD - in der kommenden Woche passieren. Bei den ebenfalls kritischen Themen wie Migration und Bürgergeld konnten sich die Sondierer ebenfalls relativ schnell vorerst einigen.
DOMRADIO.DE: Migration war eines der bestimmenden Themen im Wahlkampf. Es gab dazu einen Streit zwischen den Unionsparteien und den Kirchen. Was ist jetzt zum Thema Migration zu erwarten?
Riedel: Im Sondierungspapier kommt Migration mit einigen Punkten vor. Allerdings findet sich das Thema erst nach Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales auf Seite acht. Union und SPD wollen auf der einen Seite Integration fördern und den Zuzug von Fachkräften erleichtern, auf der anderen Seite aber den Zuzug von Schutzsuchenden begrenzen.
Das umschließt wahrscheinlich Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen; keine freiwilligen Aufnahmeprogramme; weniger Familiennachzug und mehr Abschiebungen, insbesondere von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien. Es wird allerdings abzuwarten sein, wie viel sich davon in der Praxis umsetzen lässt.
DOMRADIO.DE: Wie schaut die katholische Kirche auf die aktuelle Politik?
Riedel: Die deutschen Bischöfe treffen sich in dieser Woche im Kloster Steinfeld in der Eifel zu ihrer alljährlichen viertägigen Frühjahrsvollversammlung. Dort werden sie sich unter anderem mit der Bundestagswahl und der aktuellen politischen Lage beschäftigen. Die Bischöfe wollen über die künftige Zusammenarbeit mit den demokratischen Parteien reden.
Da wird es wohl auch darum gehen, wie man die Wogen mit CDU und CSU nach dem Streit rund um die Migrationspolitik wieder ein bisschen glättet. Ich bin mir aber gerade in diesem Bereich sicher, dass die Kirche weiter darauf achten wird, dass die Rechte von Geflüchteten nicht immer weiter ausgehöhlt werden.
DOMRADIO.DE: Es heißt weiterhin, dass es Zusammenarbeit nur mit den demokratischen Parteien gäbe. Was für Signale gibt es, dass es so bleibt? Bleibt die AfD außen vor?
Riedel: Ja, davon ist auszugehen. Der Wahlerfolg der in Teilen rechtsextremen AfD ändert nichts an deren völkisch-nationalistischer Grundhaltung, eher im Gegenteil. Die Bischöfe haben die AfD wiederholt als für Christen nicht wählbar bezeichnet. Deswegen kann man davon ausgehen, dass die Bischöfe sich nun nicht mit der AfD an einen Tisch setzen werden.
Allerdings zeigen die Nachwahlbefragungen, dass katholische Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl fast genauso häufig ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, wie es dem Wahlergebnis entsprach. Auf diese Wähler will die Kirche - anders als auf die Partei - zugehen, weil sie mit diesen Menschen im Gespräch bleiben will.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.