Koch teilt Kritik des Papstes am Synodalen Weg

"Zu wenig Raum für Diskussion"

Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch teilt die Kritik von Papst Franziskus am Synodalen Weg in Deutschland. Im Interview sprach Koch auch über einen Papst-Rücktritt, Patriarch Kyrill sowie eine mögliche Papstreise in die Ukraine.

Kardinal Kurt Koch / © Francesco Pistilli (KNA)
Kardinal Kurt Koch / © Francesco Pistilli ( KNA )

Der Papst habe unter anderem kritisiert, dass nicht alle Gläubigen daran beteiligt seien, sagte Koch im Interview der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ am Sonntag). Tatsächlich seien es "weitgehend Funktionäre, die jetzt die Diskussionen prägen". Er selbst habe verschiedene Debatten des Synodalen Weges via Livestream mitverfolgt und seine Mühe damit, so der päpstliche Ökumene-Beauftragte: "Wie ist eine sinnvolle, wirklich synodale Diskussion möglich, wenn die Redezeit auf eine Minute begrenzt wird? Es gibt zu wenig Raum, um kontroverse Punkte wirklich zu diskutieren."

Wichtiger als die sogenannten heißen Eisen wie Frauenpriestertum oder Pflichtzölibat findet Koch die Fragen, die Papst Franziskus stelle: "Er hat gesagt: Ihr kreist zu stark um strukturelle Fragen. Geht stattdessen den Grundfragen nach: Was ist unsere Botschaft? Und wie können wir sie weitergeben?" Darum sollte es gehen, so der Kurienkardinal.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Als Theologieprofessor in Luzern (1989-1995) hatte Koch offen über die Weihe von Priesterinnen nachgedacht. "In der damaligen Phase wurde die Frage des Frauenpriestertums offen diskutiert. In einer solchen Situation haben Theologen die Aufgabe, Lösungen vorzuschlagen", sagte er jetzt im Interview. "Wenn aber das kirchliche Lehramt die Frage entschieden hat, so hat dies auch Konsequenzen für einen Theologen und erst recht für einen Kardinal."

Kein Papstrücktritt in näherer Zeit

Koch rechnet nicht mit einem baldigen Rücktritt von Papst Franziskus. "Ich habe nicht den Eindruck. Es gibt zwar immer wieder Aussagen von ihm, die Spekulationen auslösen", sagte er weiterhin im Interview der "Neuen Zürcher Zeitung"; vergangene Woche etwa habe der 85-Jährige mit Blick auf den Weltjugendtag in Lissabon 2023 gesagt, es werde "sicher ein Papst anwesend sein - Franziskus oder ein neuer Papst, zum Beispiel ein Johannes XXIV." Aber, so Koch: "Ich werte das eher als humorvolle Aussagen."

Franziskus verfüge über "einen besonderen Humor", sagte der Schweizer Kardinal weiter. Als der frühere Präsident des Rates der Evangelischen Kirche Schweiz, Gottfried Locher, zu einer Audienz bei ihm war, habe Koch für die beiden übersetzt. Koch weiter: "Der Papst fragte mich anschließend, wo ich denn so gut Deutsch gelernt habe."

Eine Papstreise in die Ukraine sei derzeit unwahrscheinlich. "Von einer Zugreise nach Kiew raten die Ärzte ab". Der Papst sei "zwar voller Tatendrang, aber sein Knieleiden zwingt ihn immer wieder in den Rollstuhl".

Kyrill wollte "strategische Allianz mit Rom"

Koch begrüßte Waffenlieferungen an die Ukraine. "Ein absoluter Pazifismus, der zuschaut, wie Gewalt angewendet wird, ist nicht christlich". Und: "Wenn ungerechte Gewalt geschieht und ich eingreifen kann, muss ich eingreifen." Papst Franziskus habe auf der Rückreise von Kasachstan Waffenlieferungen an Kiew als moralisch vertretbar bezeichnet, "wenn es darum geht, Opfer von Aggressionen bei der Selbstverteidigung zu unterstützen".

Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Robert Duncan (KNA)
Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Robert Duncan ( KNA )

Zum Moskauer Patriarchen Kyrill I. und seiner Verteidigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sagte der päpstliche Ökumene-Beauftragte, Kyrill sei der Überzeugung, es sei "die besondere Sendung Russlands, die christlichen Werte gegenüber dem dekadenten Westen zu schützen".

Der russisch-orthodoxe Patriarch habe ihm bei einem Moskau-Besuch "eine strategische Allianz zwischen Moskau und Rom zur Verteidigung dieser Werte" vorgeschlagen. Dies habe er, Koch, abgelehnt. "Ich kannte Kyrills Vorstellungen. Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass er so weit geht und diesen Angriffskrieg legitimiert. Dies hat mich sehr überrascht." Nach wie vor gebe es keine "konkrete Rückmeldung" auf das Angebot des Papstes, nach Moskau zu reisen und Präsident Wladimir Putin und Kyrill zu treffen.

Der Moskauer Patriarch sei "an sich eine nette Persönlichkeit", berichtete der vatikanische Ökumene-Minister. Beispielsweise habe Kyrill viel Wert darauf gelegt, "dass ich an der Feier zu seinem 70. Geburtstag in Moskau teilnehme". Allerdings habe Kyrill "bei jeder Begegnung" die griechisch-katholische, mit Rom verbundene Kirche in der Ukraine kritisiert. Er werfe ihr vor, orthodoxe Gläubige abzuwerben. Koch habe das immer wieder zurückgewiesen.

Koch wurde 1995 zum Bischof von Basel gewählt. Papst Benedikt XVI. machte ihn 2010 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ("vatikanischer Ökumene-Minister").

Quelle:
KNA