Der Tagungssaal im Congress Center der Messe Frankfurt trägt den Namen "Harmonie", doch drinnen prallen Emotionen aufeinander. Wut, Tränen, Enttäuschung brechen sich Bahn bei der vierten und entscheidenden Vollversammlung des Synodalen Wegs - bevor nach viel Bangen doch noch eine breite Mehrheit für ein zentrales Reformvorhaben gefunden wurde.
Um ein Haar drohte zunächst das ganze Reformprojekt zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland zu scheitern. Nachdem am Donnerstagabend gleich das erste zentrale Papier zur Liberalisierung der katholischen Sexualmoral für viele überraschend an der Sperrminorität vor allem konservativer Bischöfe scheiterte, wirkte die Vollversammlung zeitweilig wie paralysiert.
Vor einer doppelten Zerreißprobe
Im weiteren Verlauf zeigte sich: Der Synodale Weg stand vor einer doppelten Zerreißprobe. Zum einen traten die Differenzen unter den Bischöfen offen zutage; nur 33 von 60 anwesenden Bischöfen hatten für das Sexual-Papier votiert. Zum anderen standen die Laien vor der Frage, wann sie die "Notbremse" ziehen und die Zusammenarbeit mit den Bischöfen aufkündigen würden. Von einer Krise sprach der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, dem die persönliche Enttäuschung deutlich anzumerken war.
Zunächst hatten die Verantwortlichen zu klären, wie es mit dem durchgefallenen Sexuallehre-Grundsatzpapier weitergehen könnte.
Bätzing kündigte erstens an, dennoch den Text "mit dem erreichten Ergebnis" beim Rom-Besuch der deutschen Bischöfe im November und im Rahmen der von Papst Franziskus einberufenen Weltsynode zur Sprache zu bringen.
Zweitens: In seinem Bistum Limburg werde er ihn den Gremien vorlegen, um ihn trotz allem "Wirklichkeit werden zu lassen". Andere Bischöfe hätten ihm bedeutet, ähnlich in ihren Bistümern verfahren zu wollen.
Warnung vor "Alleingängen"
Unter anderem der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, kündigte dies auch öffentlich an. Ein Vorgehen, das Kritik einiger Mitbrüder hervorrief. Passaus Bischofs Stefan Oster etwa, der nach eigenem Bekunden gegen das Papier stimmte, zeigte sich irritiert und warnte vor "Alleingängen".
Als Gebot der Stunde formulierten zahlreiche Delegierte: Gesicht zeigen! Mehrfach wurde betont, gescheiterte Papiere könne es durchaus geben. Irritierend sei jedoch, wenn Kritiker nicht deutlich machten, was sie konkret an den Texten störe. Das Problem seien die "heimlichen Blockierer", sagte Stetter-Karp.
Entsprechend bat Bischof Franz-Josef Bode eindringlich vor der Zweiten Lesung zum Grundsatzpapier zur Rolle der Frauen in der Kirche, in aller Offenheit inhaltliche Kritik zu formulieren: "Nur so können wir das Papier weiterentwickeln, wenn wir wissen, an welchen Punkten wir nacharbeiten müssen." Bode ist Co-Vorsitzender des Frauen-Forums beim Synodalen Weg. Die Arbeitsgruppe hatte das Papier erstellt.
Appelle zeigten Wirkung
Bodes und auch Bätzings Appelle zeigten Wirkung. Die nachfolgenden lange Debatte über den Frauen-Grundtext hatte einen anderen Charakter und war von großer Nachdenklichkeit und intensivem theologischem Ringen gekennzeichnet.
Etwa ein Dutzend Bischöfe erklärte, dass und warum sie den Text in der ursprünglichen Fassung ablehnen oder sich enthalten müssten, wiewohl sie viele Passagen mittrügen. Vor der Abstimmung zogen sich die Bischöfe zu einer internen Beratung zurückgezogen und brachten im Anschluss einen Änderungsantrag ein.
Dieser brachte die Wende in der Zitterpartie. Bei der finalen Abstimmung votierten schließlich 92 Prozent aller Delegierten, und knapp 82 Prozent der abstimmenden Bischöfe für das Grundsatzpapier, das dem Wunsch nach einer Zulassung von Frauen zu Weiheämtern Nachdruck verleiht und den Papst bittet, entsprechende Reformideen auf Weltebene zu prüfen. Mit langem Applaus brachte die Synodalversammlung ihre große Erleichterung zum Ausdruck, noch einmal die Kurve bekommen zu haben.