Für Solomia hat dieses Gemeinschaftserlebnis am dritten Advent im Kölner Dom mehr als nur Symbolcharakter. Mit diesem Friedenslicht, das dafür steht, die Menschen über Ländergrenzen hinweg miteinander zu verbinden und für Verständigung untereinander – im Kleinen und im Großen – zu sorgen, verknüpft die 15-Jährige aus Kiew ganz konkret den innigen Wunsch, dass in ihrer Heimat endlich Wirklichkeit wird, was hier beschworen wird: dass der Krieg in der Ukraine endet. "Dieses Licht bringt mir Hoffnung; ich habe den Traum, dass endlich Friede wird", sagt sie.
Von klein an engagiert sie sich bei der ukrainischen Pfadfinderorganisation "Plast". Von daher sei ihr die Tradition, das Friedenslicht überall dorthin zu bringen, wo Menschen ein hoffnungsvolles Zeichen der Stärkung brauchten – in Krankenhäusern, Altenheimen und Schulen – durchaus vertraut. Doch nie habe sie für möglich halten können, dass dieses Licht eines Tages auch für sie selbst und ihre vor den Raketen und Drohnenangriffen geflüchtete Familie eine derart konkrete Bedeutung bekommen würde, berichtet die Schülerin aus Bonn.
Kein Glaube an Frieden in der Ukraine
Die Lieder seien zwar ganz andere, ergänzt Matvii aus Sumy, der zum ersten Mal an der Kölner Aussendungsfeier des Friedenslichtes teilnimmt und eine typische Laterne mit sich trägt, in der er das Licht später behutsam nach Hause transportieren will. Aber die Botschaft sei überall auf der Welt doch dieselbe, meint er. Zusammen mit Stas – auch er stammt aus Kiew – ist sich der Elfjährige einig, dass man die Hoffnung auf Frieden in der Heimat zwar nicht aufgeben dürfe, dieser im Moment aber auch nicht wirklich realistisch sei. "Ich kann einfach nicht daran glauben", sagt er traurig und zuckt resigniert mit den Schultern.
Julie, Elena und Marie gehören zum Stamm "Grafen von Berg" in Altenberg und wollen ihr Friedenslicht am Abend noch nach Remscheid bringen, wo sie es an einer zentralen Stelle in der Stadt an die Menschen, ihre eigenen Familien und Freunde verteilen wollen. "Uns ist wichtig, diese Werte von Frieden und Zusammenhalt weiterzutragen", betont die 16-jährige Julie, die gerade von einem Adventssingen aus einem Altenheim in Burg kommt. Seit 2018 ist sie bei den Pfadis mit dabei; ihr Engagement für andere bedeutet ihr viel. Gerade alten und kranken Menschen dieses Licht zu bringen, die meist sehr gerührt seien, mache ihr große Freude.
Clemens Steinbach aus Köln-Sülz nimmt mit einer Gruppe von 15 Wölflingen, Jungpfadfindern und Pfadfindern im Dom teil, die alle selbstbemalte Kerzen oder Windlichter in den Händen halten und sich in der vollen Kirche vor der ersten Bank auf den kalten Steinboden hocken.
Seit 20 Jahren sorgt der 37-Jährige dafür, dass das Licht abends noch in einem Gottesdienst seiner Gemeinde St. Nikolaus ankommt. Außerdem ist es ihm ein Anliegen, auch den Kleinsten schon früh zu vermitteln, dass ein friedliches Miteinander bereits im Kleinen anfängt und das Licht ein wichtiges Zeichen dafür ist, tolerant miteinander zu leben. "Gerade in der aktuellen Situation von Kriegen und Gewalt haben wir das Friedenslicht nötiger denn je."
Er bedauert, dass es aufgrund der politischen Lage diesmal nicht aus Bethlehem kommt. "Das zeigt uns nur umso mehr, wie nötig der Friede auf der Welt ist. Vielleicht leisten wir mit dieser Aktion nur einen kleinen Beitrag, indem wir für die Friedensidee mit einer Kerze sensibilisieren. Aber wer weiß, ob das nicht doch größere Auswirkungen auf die Verantwortlichen hat."
Die Zwillinge Till und Pepe Schumacher jedenfalls, zwei neunjährige Schützlinge von Wölflingsleiter Steinbach, sind bestens informiert, um was es im Kölner Dom an diesem Nachmittag geht. "Wir helfen mit, dass es in der Ukraine, in Israel und in Gaza keinen Krieg mehr gibt. Das ist unsere Aufgabe", erklärt Till, der sich seiner Verantwortung als Friedensbotschafter durchaus bewusst ist. Denn er hat gut aufgepasst in seiner Gruppenstunde.
Motto: Vielfalt leben, Zukunft gestalten
Die Aktion Friedenslicht in Deutschland steht in diesem Jahr unter dem Motto "Vielfalt leben, Zukunft gestalten". Um das den vielen Kindern im Dom an einem Beispiel aus der Bibel zu verdeutlichen, lässt das Vorbereitungsteam um Pastoralreferent Hubert Schneider, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Spiritualität im Erzbistum und DPSG-Stammeskurat im Kölner Westen, Noah auftreten, der Gottes Auftrag, eine Arche zu bauen, nachkommt und dafür von jeder Art Lebewesen jeweils ein Paar auswählt, um dessen Fortbestand nach der großen Sintflut zu retten.
Und so wimmelt es schließlich im Altarraum nur so von großen und kleinen Tieren, die zunächst spielerisch ihre Konflikte austragen, um sich dann aber um das Licht, das ihre Streitereien und Konflikte schlichten soll, zu versammeln und Frieden miteinander zu schließen. Sie stehen für Vielfalt und dafür, dass es bei aller Unterschiedlichkeit doch gelingen kann, an einem Strang zu ziehen, indem jeder seinen ganz individuellen Beitrag zum Gelingen des großen Ganzen leistet.
Tausend Farben der Hoffnung
Und noch einmal wird es anschaulich in diesem Gottesdienst, als buntes Pergamentpapier dazu dienen soll, die eigene Friedenslichtlaterne farbig zu gestalten, damit die vielen Friedenslichter im Kölner Dom später in allen Regenbogenfarben leuchten – auch das in Anlehnung an die Arche-Geschichte und Gottes Bund mit den Menschen. In seiner Katechese ruft Schneider dazu auf: "Lasst uns unsere Kräfte gemeinsam einsetzen!“ Niemand dürfe sich über den anderen erheben. "Ich wünsche mir eine Zukunft, die wir so aufbauen, wie wir dieses Licht auf seinem Weg beschützt haben", verweist er auf die brennende Flamme vor dem Altar. Schon zur Zeit Noahs sei die Welt schwierig gewesen, habe es Schuldzuweisungen gegeben, Streit auf engem Raum und die Angst, dass es für den einzelnen nicht reichen würde. Diese Dunkelheit rund um Noahs Arche mit endlosen Wasserflächen und unbekannten Horizonten verwandle das Friedenslicht von Bethlehem dagegen wie ein Prisma in tausend Farben der Hoffnung.
Genauso habe Gott die Welt erschaffen: "Nicht uniform und eintönig, sondern bunt, vielfältig, voller Überraschungen“, so dass jedes Lebewesen ein einzigartiger Lichtstrahl sei und große Elefanten neben kleinen Mäusen, bunte Papageien neben grauen Tauben und wilde Löwen neben sanften Lämmern hätten existieren können. "Jedes Tier war anders – und genau das war der Plan! Gott wollte Vielfalt. Gott liebt Verschiedenheit", unterstreicht Schneider. Erst im Miteinander, wenn jeder seine individuellen Begabungen und Talente einbringe, liege die große Stärke. Das Friedenslicht bedeute "Hoffnung in allen Farbtönen". Es sei ein Symbol der Verbundenheit, ein Zeichen der Überwindung, eine Einladung zu einem gemeinsamen Weg. "Es steht dafür, dass wir Grenzen überwinden, zwischen den Ländern und zwischen uns."
Den vielen Kindern und Jugendlichen im Dom ruft er zu: "Ihr seid die Lichtbrecher eurer Generation." Und er fordert sie auf: "Respektiert Unterschiede! Schätzt individuelle Talente! Baut Brücken zwischen Welten!" Auch Noah habe gezeigt: "Vertrauen ist größer als Angst. Gemeinschaft überwindet Grenzen. Hoffnung wächst dort, wo Menschen zusammenhalten und gemeinsam nach vorne schauen. Ihr seid heute die Architektinnen und Architekten, die Bauleute einer neuen Stadt: des Friedens, der Verständigung, der weltweiten Gemeinschaft." Und noch einmal betont der Theologe: "Unsere Vielfalt ist unsere Stärke, unser Licht unsere Hoffnung."