KNA: Herr Professor Bönig, was verbinden Sie mit Ludwig van Beethoven und seiner Musik?
Professor Winfried Bönig (Kölner Domorganist): Als Kirchenmusiker habe ich eine etwas andere Sicht auf Beethoven. Der normale Hörer nimmt ihn in der Kirche wenig wahr. Das Beethoven-Repertoire in der Kirche ist überhaupt eher klein. Dabei hat Beethoven diese Art von Musik sicher sein Leben lang begleitet, da er in kirchenmusikalischer Umgebung aufgewachsen ist. Er wusste sehr genau, wie sie funktioniert. Einst hat er ja auch gesagt, dass die "Missa solemnis" sein bestes Werk sei. Das zeigt, welche Bedeutung die Kirchenmusik für ihn selber hatte.
KNA: Warum ist die Beethoven-Messe so besonders?
Bönig: Ich habe sie schon oft gehört. Ich selbst liebe Beethoven und seine Werke sehr. Da finde ich es sehr anrührend zu wissen, welches Herzblut er eben ausgerechnet in eine katholische Messe gesteckt hat. Sie sollte so gut wie irgendmöglich klingen. Das hat er geschafft. Die "Missa solemnis" gehört wirklich zu den ganz großen Werken der Musik.
KNA: Woran machen Sie Beethovens Musik fest?
Bönig: Da lohnt sich der Blick zwischen die Zeilen. Natürlich erkennt man sofort, dass es Musik aus der Klassik und genial komponiert ist. Die Komponisten an einzelnen Passagen fest zu machen, ist schwer. Da gilt es, auf Feinheiten zu achten. Beethoven etwa von Mozart zu unterscheiden, ist auch Sache des Gefühls und der Erfahrung. Jeder Komponist hat seinen eigenen Dialekt. Genau das ist es aber doch, Und was die großen Genies ausmacht: Dass sie uns immer mit neuen Dingen überraschen. Beethovens Dramatik und Energie zum Beispiel ist in jeder Hinsicht besonders.
KNA: Welchen Bezug haben Sie zu Beethoven?
Bönig: Auf die Frage nach meinem Lieblingskünstler sage ich immer sofort: Beethoven. Auch wenn es für mich als Kirchenmusiker kein großes Repertoire gibt, fasziniert er total. In seinem Werk finden sich Dramatik und Humanität. Beethoven schrieb solch epochale Musik - und das, obwohl er so ein Leben führen oder in seinem Fall erleiden musste.
KNA: Sie spielen sicher auf seine Taubheit an. Wie ist es möglich, als fast Tauber Musik zu komponieren?
Bönig: Man stellt sich oft vor, dass ein Komponist am Klavier sitzt und sich selbst etwas vorspielt. Und wenn es ihm gefällt, dann schreibt er es auf. So ist es aber in Wirklichkeit nicht. Komponisten arbeiten am Schreibtisch und brauchen keine akustische Wahrnehmung. Das liegt am sogenannten inneren Ohr, das bei ihnen sehr ausgeprägt ist. Sie können sich ihre Musik vorstellen. So lief das auch bei Beethoven.
KNA: Das Beethoven-Jahr steht vor der Tür. Was bedeutet das für Sie und ihre Arbeit im Dom?
Bönig: Es wird bei den Orgelkonzerten sicher Musik von Beethoven geben. Er wird zum größten Teil in Bearbeitungen gespielt werden, weil Beethoven den Organisten eben leider keine Kompositionen hinterlassen hat. Das ist bei Bach ganz anders, der viel mehr Kirchenmusik und Orgelwerke geschrieben hat. Beethoven kann man auf andere Art in die Konzerte einbeziehen, etwas auch, indem Musik seiner Zeit erklingt oder Improvisationen über Themen von ihm gespielt werden. Das Jubiläum wird in jedem Fall spannend für Künstler wie Hörer.
KNA: Wie werden Sie Beethovens Stücke auf ihrem Instrument interpretieren?
Bönig: Viele seiner Symphoniesätze sind schon relativ kurz nach seinem Tod für die Orgel arrangiert worden. Die Symphonien entdeckte man wegen ihrer Klanggewalt schnell für das Orgelspiel. Hier im Kölner Dom werde ich diese auf jeden Fall bei Konzerten spielen.