Dazu erklärt der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki: "In diesem besonderem Fall hatte ich den Wunsch, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Den beispruchsberechtigten Gremien bin ich sehr dankbar, dass sie mich in meiner Entscheidung unterstützen."
Mit dem Verzicht auf die Einrede der Verjährung möchte das Erzbistum zugleich prüfen lassen, ob das Gericht die bisher gezahlten Anerkennungsleistungen als angemessen erachtet. Diese waren von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) festgelegt und vom Erzbistum an den Betroffenen gezahlt worden.
Die Entscheidung des Erzbischofs, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, bezieht sich auf den aktuell verhandelten Fall.
Hintergrund des Falls
Ein Betroffener, der in den Jahren 1972 bis 1979 von einem Priester des Erzbistums Köln missbraucht wurde, hat vor dem Landgericht Köln Klage gegen das Erzbistum Köln auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 725.000 Euro sowie eine Feststellungsklage auf Zahlung von Schadensersatz für weitere, noch nicht bekannte Schäden erhoben. Der Missbrauchsfall ist Gegenstand des Gercke-Gutachtens, die letzte Tat liegt 43 Jahre zurück. Seinerzeit galt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Amtspflichtverletzung des Erzbistums
Als Anspruchsgrundlage macht der Betroffene eine Amtspflichtverletzung des Erzbistums Köln geltend, nach welcher die Kirche für ein rechtwidriges, schuldhaftes Verhalten ihrer Bediensteten ohne ein eigenes Verschulden haftet. Dies ist vergleichbar mit der Haftung des Staates für seine Beamten. Unabhängig vom aktuellen Gerichtsverfahren hat der Betroffene auch das Verfahren der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen durchlaufen und hat in diesem Verfahren Zahlungen in Anerkennung seines Leids erhalten. Zudem wurden Therapiekosten übernommen.
Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen bzw. begleiten. Die deutschen Bistümer, darunter auch das Erzbistum Köln, übernehmen für dieses erlittene Unrecht und Leid institutionelle Mitverantwortung im Rahmen des im Jahr 2021 neu gestarteten und weiterentwickelten Verfahrens zur Anerkennung des Leids. Es handelt sich hierbei um einheitliches, transparentes und unabhängiges Verfahren, in dem die Diözesen Leistungen freiwillig und unabhängig von etwaigen Verjährungsfristen erbringen, d.h. auch in Fällen, die zivilrechtlich bereits verjährt sind. Im Gegensatz zu einer Gerichtsverhandlung wird einzig eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt und kein Vollbeweis (Strengbeweis) gefordert. Die Zahlungen orientieren sich an Urteilen zu Schmerzensgeldern staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen.