DOMRADIO.DE: Die Kirchengemeinde Christus König in Porz suchte erfolglos Freiwillige für die Gremien. Wie nah waren Sie daran, die Flinte ins Korn zu werfen?
Matthias Kenter (Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit im Pfarrgemeinderat der Kirchengemeinde Christus König in Porz): Ich persönlich war sehr nahe davor, aber viele andere auch. Wir haben uns dann überlegt: Wofür stehen wir eigentlich? Was ist die Aufgabe unserer Kirchengemeinde? Wofür treten wir ein? Und da fielen uns viele gute Gründe ein.
DOMRADIO.DE: Sie haben also gefragt, ob es nicht doch einen guten Grund gibt, sich zu engagieren? Wie haben Sie das gemacht?
Kenter: Wir mussten uns erst mal auf uns selber besinnen und sagen, wofür wir stehen. Was hat motiviert, sich für die Kirche zu engagieren? Um dann zu fragen, warum wir vor Ort aktiv sind.
Diese guten Gründe haben wir nach vorne gestellt, nämlich den Kern unserer Gemeindearbeit.
DOMRADIO.DE: Wie viele gute Gründe haben Sie gefunden?
Kenter: 60 Testimonials. 60 Menschen haben sich bereit erklärt, ihre Gründe, warum sie aktiv sind, auf unsere Webseite zu stellen. Das haben wir vor anderthalb Jahren gestartet.
DOMRADIO.DE: Was sind denn solche guten Gründe?
Kenter: Heimat, Vertrauen, Sinn, Zukunft, Gemeinschaft. Das sind Gründe, die immer wieder kamen.
DOMRADIO.DE: Damit sind sie erfolgreich gewesen?
Kenter: Damit sind wir erfolgreich gewesen. Wir haben einen Pfarrgemeinderat wählen können. Wir haben einen Kirchenvorstand wählen können. Wir waren so erfolgreich, dass wir sogar zumindest im Kirchenvorstand auswählen konnten.
DOMRADIO.DE: Also haben sich mehr Leute als notwendig aufgestellt?
Kenter: So ist es. Was nicht heißt, dass wir zu viele Menschen haben, die sich bei uns engagieren. Ganz im Gegenteil.
DOMRADIO.DE: Aber damit ist nicht alles gut, denn Katholiken kehren ihrer Kirche den Rücken und treten aus. Wie geht es Ihnen damit persönlich?
Kenter: Nicht gut. Gestern Abend habe ich wieder eine Mail bekommen, die unser Diakon von genau so einem Austritt weitergeleitet hat. Das tut schon weh. Es tut vor allen Dingen weh, wenn man die Gründe liest.
DOMRADIO.DE: Was sind das für Gründe?
Kenter: Die Gründe sind meistens an der katholischen Kirche festgemacht. Und dann kommt manchmal ein Satz: Es liegt nicht an Ihrer Gemeinde.
DOMRADIO.DE: Kommen Sie mit den Menschen denn ins Gespräch?
Kenter: Wir versuchen es. Es wird ein Schwerpunkt unserer Gemeindearbeit im nächsten Jahr sein, dass wir uns mit den Ausgetretenen und mit deren Gründen beschäftigen.
DOMRADIO.DE: Dann gibt es Überzeugungsarbeit oder wollen Sie es einfach nur anhören?
Kenter: Wir wollen niemanden wieder zum Kircheneintritt bringen. Das wäre natürlich schön. Aber wenn man mit diesem Ziel, mit dieser Brechstange rangeht, wird man niemanden erreichen. Denn die meisten Menschen haben sich das vorher sehr genau überlegt. Aber wir wollen die Gründe kennen. Wenn der formale Austritt da ist, heißt das trotzdem, dass man sich weiter kirchlich engagieren kann.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist ein Kirchturm Ihrer Pfarrgemeinde eingerüstet und plötzlich hatten Sie an diesem Gerüst im Grunde eine große Werbefläche frei. Da hängt ein Plakat: Kirche kaputt? – #gutergrund bleibt! Was hat es damit auf sich?
Kenter: Der Herrgott stellte ein Gerüst dahin und wir haben etwas dran gehangen. Die Kirche im Ortsteil Wahn ist tatsächlich kaputt. Da wird das Dach neu gedeckt. Da steht jetzt ein über 100 Meter hohes Gerüst.
Wir haben überlegt, wie wir auf uns aufmerksam machen können. Der Slogan "Kirche kaputt?", der ein bisschen auf Franziskus anspielt, machte sich da ganz gut. Es ist ein Fragezeichen dahinter und auf der Website werden Sie lesen, dass unsere Kirche auch wirklich kaputt ist und es viele Dinge gibt, die wir kritisieren können und die wir angehen müssen. Aber der gute Grund, sich bei uns vor Ort zu engagieren, der bleibt.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich jetzt? Dass andere Gemeinden ihrem Beispiel folgen?
Kenter: Das wäre schön, aber jede Gemeinde muss ihren eigenen Weg finden. Ich wünsche mir vor allen Dingen, dass wir vor Ort, mit unseren Gemeindemitgliedern, mit Leuten, die sich darüber Gedanken machen, ins Gespräch kommen.
Das Interview führte Tobias Fricke.