DOMRADIO.DE: Wer war eigentlich Ulrich Zell?
Benjamin Marx, Krippenbauer: Ulrich Zell war der erste Buchdrucker in Köln. Er war einer der großen Wegbereiter der Kunst des Buchdrucks. Er kommt aus Mainz, wo es 1462 die Mainzer Stiftsfehde gab und zum ersten Mal Flugblätter von den Druckern als Propagandamittel in Westeuropa eingesetzt wurden. Auch die ersten Plakate wurden von den Druckern gedruckt. Das war für die Kriegsparteien Anlass genug, sämtliche Druckereien zu zerstören.
Für Mainz war es eine Katastrophe, für die Universitätsstädte in Deutschland ein Glücksfall, weil die Drucker sich neue Wirkungsstätte suchten. Sie sind ausgewandert und haben in den Universitätsstädten Druckereien gegründet. Ulrich Zell kam nach Köln und hat hier seine Druckerei gegründet. In der Straße an der Kirche Lyskirchen hat er sich niedergelassen.
Seine Druckerei hatte er direkt neben der Kirche, die heute noch steht. In der Tiefgarage des Verwaltungsgebäudes, das heute dort steht, wo einst seine Druckerei stand, gibt es immer noch Reste des Baus zu sehen. Ulrich Zell ist einer der bedeutendsten Buchdrucker im Mittelalter gewesen. Ich bin immer erstaunt, wie wenig der Mann in Köln bekannt ist.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die neue Figur in Maria Lyskirchen begrüßt?
Marx: In der Krippe hatte ich ein Rätsel aufgehängt. "Der Mann mit dem Buch". Ich habe Ulrich Zell umschrieben: wer er war und in welcher Zeit er gelebt hat. Aus dieser Umschreibung konnte man - wenn man ihn kennt - wissen, dass es um Ulrich Zell geht. Von den Krippenbesuchern hat lediglich einer dieses Rätsel gelöst. Am Mittwoch nach der Messe wurde das Rätsel aufgelöst und ich habe die Figur in die Krippe gestellt.
Der Buchdruck war das, was man heute als "die neuen Medien" bezeichnet. Im Mittelalter war der Buchdruck das neue Medium. Daraufhin konnte die Schranke zwischen Wissenden und Unwissenden aufgebrochen werden. Wissen konnte verteilt werden. Ohne Buchdruck wären wir heute nicht da, wo wir sind.
DOMRADIO.DE: Wie dürfen wir uns Ulrich Zell vorstellen? Wie sieht dieser Mann des Buches als Krippenfigur bei Ihnen aus?
Marx: Ulrich Zell ist am Rathausturm in Köln präsent. An dieser Figur haben wir uns orientiert. Er trägt eine Lederschürze, eine Weste und einen Arbeiterkittel sowie eine Mütze. Außerdem hat er eine Brille, obwohl manche sagen, dass es damals noch keine Brillen gab. Aber die Brillen wurden schon 1230 in Venedig entwickelt.
DOMRADIO.DE: Die letzte Figur, die neu dazugekommen war, war der Mann aus der Matthiasstraße. Ein Mann in Lack und Leder, der die queere Szene vertritt. Jetzt ist es ein Buchdrucker aus dem 15. Jahrhundert. Da liegt eine Spannbreite zwischen ...
Marx: Die Krippe in der Kirche will den Menschen das Weihnachtsgeschehen sinnlich vermitteln. In der Krippe ist Raum und Zeit aufgehoben. Das steht auch im Buch der Propheten. Genauso haben wir die Königin von Saba und Salomon neben dem Flüchtling aus Eritrea, der 2015 nach Deutschland gekommen ist.
DOMRADIO.DE: Alle Jahre wieder stellen sie die Krippe unter ein bestimmtes Leitwort, das im Krippenaufbau auf einer Litfaßsäule angeschlagen steht. Wie lautet es in dieses Jahr?
Marx: Diesmal steht auf der Litfaßsäule: "Das wird man doch noch sagen dürfen, oder?" Das ist ein Satz, den man immer wieder hört und immer öfter hört. Dieser Satz ist eigentlich nicht Interessant, sondern wofür er verwendet wird. Oft ist das davor Gesagte eher schwierig und der Satz wird oft als Entschuldigung oder Rechtfertigung genutzt.
Das Interview führte Katharina Geiger.