Kölner Wallfahrtskirche in der Kupfergasse begeht Festwoche

"Ein geistlicher Magnet"

Sie ist Geflüchtete, Jungfrau, Gottesgebärerin und Mutter, deren Kind gekreuzigt wird. Bis heute gibt es an vielen Orten eine glühende Marienverehrung. Auch in Köln. Bei Maria suchen die Menschen Trost und Zuflucht. Warum ist das so?

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Blick auf den Machabäeraltar und die Kanzel in St. Maria in der Kupfergasse / © Beatrice Tomasetti (DR)
Blick auf den Machabäeraltar und die Kanzel in St. Maria in der Kupfergasse / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Herr Pastor Vollmer, bereits seit Montag feiern Sie in St. Maria in der Kupfergasse die traditionelle Festwoche, die immer rund um den Weihetag der Gnadenkapelle am 8. September stattfindet und in der dann noch mehr Menschen als sonst ihren Weg zur "Schwarzen Mutter Gottes" finden. Die vielen Messen, Andachten und Konzerte über diese Woche verteilt verzeichnen einen regen Zulauf. Die Gläubigen kommen aus Nah und Fern. Wie erklären Sie sich das? 

Pfarrer Dr. Thomas Vollmer freut sich über die vielen Besucher während der Festwoche / © beat (DR)
Pfarrer Dr. Thomas Vollmer freut sich über die vielen Besucher während der Festwoche / © beat ( DR )

Monsignore Dr. Thomas Vollmer (Rector ecclesiae von St. Maria in der Kupfergasse): Die meisten kommen ganz sicher in erster Linie wegen des Gnadenbildes. Aber dann auch wegen der würdigen Liturgiefeiern, die wir mit vielen traditionellen Elementen gestalten. Es kommen Menschen, die sich davon angezogen und hier gut aufgehoben fühlen. Sie verstehen sich als treue und im Glauben fest stehende Katholiken, die genau diese Form der Liturgie, wie wir sie hier praktizieren, wünschen und daher auch weite Wege auf sich nehmen. Jeden Tag finden zwei Messen statt: eine morgens um 8 Uhr mit anschließender Beichtgelegenheit und eine abends um 18.30 Uhr als lateinisches Choralhochamt mit vorherigem Rosenkranzgebet. 

DOMRADIO.DE: Was sind das für traditionelle Elemente, die auf so große Resonanz stoßen?

Vollmer: Zum Beispiel haben wir in unserer Wallfahrtskirche keinen sogenannten Volksaltar. Der Wortgottesdienst findet natürlich der Gemeinde zugewandt statt, aber ab der Gabenbereitung – oder Opferung, wie man früher sagte – steht der Priester am Hochaltar, also mit dem Rücken zur Gemeinde. Es gibt auch keine Aufforderung zum Friedensgruß – wir verstehen uns auch so. Dann haben wir auch noch eine Kommunionbank, an der die Gläubigen niederknien. Viele von ihnen empfangen die Mundkommunion. Außerdem feiern wir viele Hochämter in lateinischer Sprache, bei denen auch die Kirchenmusik besonders zum Einsatz kommt, zumal wir einen hervorragenden Organisten haben, aber auch eine eigene Frauen-Choralschola. Es ist immer wieder eine Freude zu erleben, wie das alles zusammenspielt: die Liturgie, die Kirchenmusik, die Ministranten… Das schätzen die Menschen. Von daher kommen sie gerne hierher. 

Darüber hinaus achte ich immer darauf, dass ich auch genügend Priester habe, die mir helfen, weil ich dieses umfangreiche Programm während unserer Festwoche gar nicht alleine bewältigen könnte. Wenn ich aber dann mal einen Vertreter habe, der etwas anders macht als sonst – und sei es nur eine Kleinigkeit – gibt es sofort kritische Rückmeldungen, weil die Menschen die Liturgie genau so wünschen, wie sie sie gewöhnt sind. Diese hier etablierte Form, Gottesdienst zu feiern, geht auf Pfarrer Plenker zurück, der in der Kupfergasse bis 2001 fast 30 Jahre lang Pastor war und der das so mit dem neuen deutschen Messbuch eingeführt hat. 

Pfarrer Thomas Vollmer

"Manchmal empfinde ich es so, dass ich hier noch auf einer Insel der Seligen lebe – angesichts der wirklich gut besuchten Messen und auch des erstaunlichen Altersdurchschnitts der Gemeinde."

Allerdings feiern wir nicht die Liturgie im alten Ritus, von daher ist sie auch nicht vorkonziliar, hat aber – wie gesagt – viele Elemente der traditionellen Liturgie. Selbst wenn viele das nicht wissen: Aber auch in der nachkonziliaren Liturgie gibt es Elemente wie beispielsweise das "aspergis me", wenn die Gläubigen mit Weihwasser besprengt werden, die heute nicht mehr unbedingt praktiziert werden.

Manchmal empfinde ich es so, dass ich hier noch auf einer Insel der Seligen lebe – angesichts der wirklich gut besuchten Messen und auch des erstaunlichen Altersdurchschnitts der Gemeinde. In der Kupfergasse sind alle Generationen vertreten, darunter viele junge Familien. Oder es kommen auch viele indische Christen, weil wir zum Beispiel auch eine eigene indische Gebetsgruppe haben. Der Zulauf ist ja gerade deshalb so groß, weil wir die Liturgie so feiern, wie wir sie feiern. 

DOMRADIO.DE: Sie sagen, in erster Linie aber kommen die Menschen wegen des Gnadenbildes. In der Tat trifft man den ganzen Tag über Beter vor der Marienstatue an. Was genau macht denn die Faszination der Mutter Jesu aus, dass dieser Kölner Wallfahrtsort eine solche Anziehungskraft ausübt? 

Vollmer: Maria ist die Frau, die den Menschensohn geboren hat. Das zeichnet sie aus. Sie hat sich verfügbar gemacht, indem sie gesagt hat: Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast… Und dann ist es dieses Mütterliche, Beschützende, Bergende, das viele Menschen, die mit ihren Bitten, Sorgen und Ängsten kommen, bei ihr finden. Dass Gott in der Fülle der Zeiten seinen Sohn zu uns gesandt hat, ist ja nicht denkbar ohne Maria. Der Engel Gabriel überbringt ihr die Botschaft, dass sie durch das Wirken des Heiligen Geistes ein Kind empfangen soll: den Sohn Gottes. Und sie hat "Ja" dazu gesagt, obwohl sie sicher nicht alles intellektuell verstehen konnte. Sie sagt immer: "Ich bewahre alles in meinem Herzen." Viele spricht eben an, dass bei Maria das Herz mitschwingt. 

Pfarrer Thomas Vollmer

"Menschen, die hier innehalten, niederknien, beten und Eucharistie feiern, verlassen die Kirche anders, als sie gekommen sind."

Auch für meinen persönlichen Glaubensweg spielt Maria eine sehr wesentliche Rolle. Das spüren auch die Menschen, wenn ich predige: dass das, was ich ihnen mitgeben will, aus tiefstem Herzen kommt. Und Menschen, die hier innehalten, niederknien, beten und Eucharistie feiern, verlassen die Kirche anders, als sie gekommen sind. Dieser Ort macht etwas mit ihnen, das sieht man ihnen deutlich an.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie denn die Menschen, die an diesen Marienort kommen?

Vollmer: Sehr innerlich, mitunter erlöster und befreiter, ja, oft strahlend. Dabei sind es ganz unterschiedliche Menschen. Aber die Schwarze Mutter Gottes bringt sie alle zusammen: alte und junge, arme und reiche, getröstete und verzweifelte, dankbare und hilfesuchende. Jeden Tag. Auch und gerade heute noch. Das zeigt auch die Zusammensetzung der Gottesdienstgemeinde. Wohnhaft in unserem Pfarrbezirk ist eigentlich nur ein kleiner Teil. Und wir freuen uns über jeden, der kommt!  

Das Gnadenbild der Schwarzen Mutter Gottes zieht Menschen aus Nah und Fern an / © Beatrice Tomasetti (DR)
Das Gnadenbild der Schwarzen Mutter Gottes zieht Menschen aus Nah und Fern an / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die "Mutter der Barmherzigkeit" ist Teil der Lebensgeschichte so vieler Menschen – konfessionsübergreifend. So kündet jede einzelne der vielen tausend Opferkerzen, die hier Woche für Woche für Kranke, Sterbende und Nöte aller Art, aber auch als Dank aufgestellt werden, von einem unbegrenzten Vertrauen, das die Menschen in sie setzen. Dass das Dreigestirn des Kölner Karnevals jedes Jahr zum Höhepunkt der Session die Schwarze Mutter Gottes besucht und sich Schutz und Segen für den Rosenmontagszug wünscht, sich die Anhänger des 1. FC Köln ihres Beistands versichern oder die Bewohner der Altstadt Kölns – direkt am Rhein gelegen – um Hilfe und Schutz bei drohendem Hochwasser bitten, sorgt nur bei denen für Staunen, die die Mentalität der Kölner nicht kennen. Dabei kommt damit die "Bodenhaftung" dieser "Mutter der Barmherzigkeit" zum Ausdruck, ihre tiefe Verwurzelung im Kölner Leben und Milieu – und das durch alle Zeiten hindurch und in allen gesellschaftlichen Schichten. Schließlich besteht diese Tradition der Marienverehrung seit fast 350 Jahren. 2025 feiern wir ein großes Jubiläum.

DOMRADIO.DE: Also eine jahrhundertealte Tradition. Was hat uns Maria denn heute noch zu sagen?

Vollmer: Es war Maria, die bei der Hochzeit zu Kana ihren Sohn auf den Notstand des ausgegangenen Weins aufmerksam gemacht hat. "Was habe ich mit dir zu tun, Frau?", entgegnet dieser und scheint sie zu ignorieren. Dann wendet sich Maria an die Diener und sagt: "Was er euch sagt, das tut!" Und das gilt für uns alle. Aber Maria ist es, die uns darauf hinweist. Dieses lateinische Wort "Per Mariam ad Jesum – durch Maria zu Jesus" trifft es auf den Punkt. Maria selbst wird ja nicht angebetet, sie ist keine Göttin, sondern eine Vermittlerin; eine besonders erwählte und begnadete Frau. Insofern spielt sie eine große Rolle für den Glauben.

In der Festwoche ziert besonderer Blumenschmuck die Gnadenkapelle in der Kupfergasse / © Beatrice Tomasetti (DR)
In der Festwoche ziert besonderer Blumenschmuck die Gnadenkapelle in der Kupfergasse / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ich selbst bin so aufgewachsen und durch Marienfrömmigkeit geprägt. Gebürtig aus der Gemeinde St. Lambertus in Düsseldorf, habe ich von Kindheit an die "Mutter in der Not" verehrt, später war ich Kaplan in St. Marien, Neuss, und dann lange Zeit Pfarrer in Benrath, wo es ebenfalls eine Schwarze Mutter Gottes gibt – übrigens mit der schönsten Marien- und Lichterprozession überhaupt. Das habe ich immer als sehr emotional und ergreifend erlebt. 

DOMRADIO.DE: Wenn man mal in Zuschreibungen denkt, dann ist dieser Ort dafür bekannt – Sie sagen es ja auch selbst – dass hier eine sehr traditionelle Form des Katholischseins gepflegt wird. Manche würden das vielleicht auch als rückwärtsgewandt definieren. Was finden die Menschen hier, was es woanders so nicht gibt? Was macht die Strahlkraft dieses Ortes mitten in Köln aus? Kardinal Frings hat einmal den Satz geprägt, der Dom sei das Haupt, St. Maria in der Kupfergasse aber das Herz… 

Vollmer: Zum einen sind es ganz klar die schon angesprochenen traditionellen Elemente. Wir haben hier zum Beispiel ein eigens dickes Liederbuch mit vielen Marienliedern und Choralmessen, die nicht im Gotteslob stehen. Gerade während der Wallfahrtwoche wird manchmal so inbrünstig gesungen, dass förmlich die Wände wackeln. Und dann ist diese Marienkirche eben auch ein Gnadenort, wo die Menschen Zuspruch, Trost und Hilfe erfahren. 

Pfarrer Thomas Vollmer

"Unsere Willkommenskultur besteht lediglich aus zwei Elementen: aus der in Stein gemeißelten Inschrift über dem Torbogen zum Innenhof: Geh nie vorüber, ohne ein "Ave" zu beten. Und aus der Liturgie, dem Gesang und dem Gebet, wie es hier gepflegt wird."

Wie oft schaue ich bei einem festlichen Auszug in strahlende Gesichter von Gläubigen, die mir dann an der Kirchentür später sagen: "Das ergreift mich, das stärkt mich, das führt mich. Hier tanke ich Kraft." St. Maria in der Kupfergasse ist ein klassischer Wallfahrtsort mitten in Köln, für den wir nicht einmal viel Werbung machen müssen, weil er als solcher bekannt ist. Unsere Willkommenskultur besteht lediglich aus zwei Elementen: aus der in Stein gemeißelten Inschrift über dem Torbogen zum Innenhof: Geh nie vorüber, ohne ein "Ave" zu beten. Und aus der Liturgie, dem Gesang und dem Gebet, wie es hier gepflegt wird. In der Summe ist alles das zusammen ein geistlicher Magnet. 

Den ganzen Tag über trifft man Beter vor dem Gnadenbild der Schwarzen Mutter Gottes an / © Beatrice Tomasetti (DR)
Den ganzen Tag über trifft man Beter vor dem Gnadenbild der Schwarzen Mutter Gottes an / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Natürlich ist der Dom der Bischofssitz – dort findet alles Wichtige statt, was das Erzbistum betrifft. Aber da muss ich Kardinal Frings schon recht geben: Dieser Ort hier in der Kupfergasse ist das Herz, weil hier doch ganz stark das Gemüt angesprochen wird und – das erlebe ich auch selbst immer wieder – jedes menschliche Herz in Schwingung gerät.

DOMRADIO.DE: Wird denn hier auch Seelsorge angeboten?

Pfarrer Thomas Vollmer

"Bei uns ist Kirche noch so erlebbar, wie man es von früher kennt: als ein Stück heile Welt."

Vollmer: Natürlich. Wir sind schwerpunktmäßig auch eine klassische Beichtkirche – neben dem Dom, St. Andreas und St. Kolumba. Und auch sonst bin ich viel in Kontakt mit den Gläubigen und biete Gespräche an. Gerade nach den Messen bleiben noch viele im Vorhof miteinander stehen, wozu ich mich dann ebenfalls gerne geselle. Bei uns ist Kirche noch so erlebbar, wie man es von früher kennt: als ein Stück heile Welt. 

DOMRADIO.DE: Allmählich geht es in die finale Phase dieser Woche mit einem abschließenden Festhochamt, das statt Erzbischof Gänswein, der wegen seiner neuen Aufgabe als Nuntius im Baltikum absagen musste, Professor Peter Bruns, Professor für Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Patrologie an der Universität Bamberg, hält. Wozu laden Sie die Menschen an diesem Sonntag ein? 

Pastor Vollmer im Vorhof der festlich geschmückten Kölner Wallfahrtskirche / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pastor Vollmer im Vorhof der festlich geschmückten Kölner Wallfahrtskirche / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Vollmer: Zweifelsohne zu einem festlichen Gottesdienst mit wunderbarer Kirchenmusik. Außerdem möchte ich jetzt schon ankündigen, dass wir uns am 6. Oktober an der Aktion "Deutschland betet Rosenkranz" beteiligen, bei der Menschen an den unterschiedlichsten Orten Rosenkranzgebetsinitiativen starten sollen, um unser Land, das aktuell eine der schwersten Krisen seiner Geschichte erlebt, der Gottesmutter anzuvertrauen, und um sie um Hilfe zu bitten. Es geht darum, in Städten und Dörfern ein öffentliches Zeichen zu setzen. Nach einer Messe wollen wir in Prozession zur Mariensäule am Gereonsdriesch ziehen und dort eine Statio machen.

Ein ganz besonderer Höhepunkt aber wird im nächsten Jahr dann der 350. Jahrestag der Weihe unserer Gnadenkapelle sein, die am 8. September 1675 erfolgte. Die Kirche selbst wurde erst 1705 bis 1715 über der Kapelle erbaut und dann Klosterkirche für die Karmelitinnen, bis im Zweiten Weltkrieg alles zerstört wurde. Unter Lebensgefahr rettete eine der Schwestern das Gnadenbild aus der brennenden Kapelle, alles andere wurde im Bombenhagel vernichtet. Erst in den 1960er Jahren wurde manches durch Ankäufe – so zum Beispiel die Kanzel, die wir aus St. Andreas haben und bis heute nutzen – wieder hergestellt und eingerichtet.

Für das kommende Jahr hat bereits Erzbischof Woelki seine Teilnahme zugesagt, und sicher werden auch noch andere Bischöfe kommen. Dann soll auch nach außen sichtbar werden: Dieser Ort ist in jeder Beziehung etwas ganz Besonderes.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Quelle:
DR