DOMRADIO.DE: Das war ein sehr emotionaler Festakt in Notre-Dame. Wie ging es Ihnen in der "neuen" Kathedrale?
Peter Füssenich (Kölner Dombaumeister): Ich war völlig begeistert. Ich war Zeuge einer Wiedergeburt, könnte man sagen. Paris hat sein schlagendes Herz zurück. Notre-Dame ist eine der schönsten französischen Kathedralen. Es war ein wunderbares Ereignis, dabei sein zu dürfen. Das hat mich persönlich stolz und froh gemacht. Es war eine große Ehre.
DOMRADIO.DE: Barbara Schock-Werner, die frühere Dombaumeisterin, hat von einer Kirche gesprochen, die in neuem Glanz erstrahlt. Der Schmutz sei runter. Wie sehr hat sich Notre-Dame verändert im Vergleich zur Zeit vor dem Großbrand?
Füssenich: Die Kathedrale ist kaum wiederzuerkennen. Notre-Dame war vor dem Brand eine dunkle Kathedrale. Die Beleuchtung war nicht ideal, man hat diesen Innenraum kaum wahrgenommen, jetzt leuchtet er wieder. Es ist alles frisch angestrahlt und die ganzen Restaurierungsarbeiten sind weitgehend abgeschlossen, sodass Notre-Dame zu einem Glanz gekommen ist, den sie vorher gar nicht hatte.
DOMRADIO.DE: Die Fenster aus der Pariser Kathedrale sind bei Ihnen in der Glaswerkstatt der Kölner Dombauhütte restauriert worden. Das hat auch Bundespräsident Steinmeier vor Ort noch einmal ausdrücklich erwähnt. Haben Sie am Samstag genau geguckt, wie sich die vier Kölner Fenster im Gesamtkunstwerk Notre-Dame so machen?
Füssenich: Selbstverständlich habe ich mir das angeguckt. Sie tragen zum großen Glanz der Kathedrale wieder bei. Dank der großzügigen Unterstützung von vielen Spenderinnen und Spendern der UNESCO in Deutschland, dem Land Nordrhein-Westfalen, konnte die Kölner Dombauhütte vier der großen Obergaden-Fenster restaurieren und dazu beitragen, dass Notre-Dame wieder dieser glänzende Stern sein darf. Das hat uns froh und stolz gemacht. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durften auch vor Ort sein, die Fenster wieder einbauen, sodass wir den Bau der Kathedrale immer wieder schrittweise verfolgen konnten. Auch das war ein einzigartiges Erlebnis.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie sich gefühlt unter all den prominenten Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirche?
Füssenich: Es war natürlich ein großes Aufgebot von Prominenz und Politik. Aber zu Recht, denn Notre-Dame kann uns zeigen, was schaffbar ist, wenn Menschen an einem Ziel zusammenarbeiten. Auf die Politik übertragen, könnte das auch heißen: Setzt euch zusammen, nehmt euch Ziele. Und Frieden wäre sicher eines der großen Ziele, das die Welt gerade braucht.
DOMRADIO.DE: Dass Notre-Dame in fünf Jahren wieder öffnen soll – so hatte es Staatschef Macron nach dem Brand angekündigt – das war ein ambitioniertes Ziel. Wäre das auch mit dem Kölner Dom so möglich?
Füssenich: Notre-Dame hatte die Mittel und die Möglichkeiten, das in Rekordzeit was zu schaffen, wofür andere Jahrzehnte brauchen. Es waren in den letzten Wochen und Monaten über 1.000 Arbeiter auf der Baustelle, die das geschafft haben. Die Kölner Dombauhütte hat 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir würden das in dieser Form nicht schaffen. Aber die finanziellen Möglichkeiten waren auch andere, es gab 800 Millionen Euro an Spenden für die Restaurierung von Notre-Dame. Zum Vergleich: Die Kölner Dombauhütte hat einen Jahresetat von acht Millionen Euro, das ist schon ein Unterschied.
Das Interview führte Katharina Geiger.