Kölns jüdischer Karnevalsverein wünscht Zeichen von Muslimen

"Ganz klar gegen den Terror aussprechen"

Seit dem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel brodelt es auch in Deutschland. Viele Politiker befürchten Übergriffe auf jüdische Institutionen. Der Präsident der Kippa Köpp vermisst von den Muslimen einen Aufruf gegen den Terror.

Männer mit Kippa / © Christopher Beschnitt (KNA)
Männer mit Kippa / © Christopher Beschnitt ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie leben als Jude in Köln, sind mit dem Jüdischen Karnevalsverein Kölsche Kippa Köpp präsent im öffentlichen Leben. Spüren Sie eine gestiegene Bedrohung seit dem Angriff auf Israel?

Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Aaron Knappstein (Präsident des Karnevalsvereins Kölsche Kippa Köpp): Ich empfinde das nicht so. Wir melden unsere Veranstaltungen, die wir in der nächsten Zeit haben, natürlich bei der Polizei. Das ist auch so gewünscht. Wir haben aber bisher keine Bedrohungslage gehabt für die Kippa Köpp. Daher kann ich das erst mal - ganz subjektiv gesprochen - nicht so bestätigen. Aber natürlich drehen sich viele der Gespräche und der Gefühle unserer Vereinsmitglieder um diese Situation. Sie machen sich auf jeden Fall Gedanken.

DOMRADIO.DE: In Köln wurde jetzt ein Theaterstück abgesagt für Kinder ab vier Jahren, weil es eine Koproduktion mit dem Kibbuz-Theater in Israel war. Es hätte nur unter Polizeischutz aufgeführt werden dürfen. Das wollte man den Kindern nicht zumuten. Müssen wir so etwas gerade aushalten?

Knappstein: Das ist wirklich ganz schrecklich zu hören, doch befürchte ich, dass wir das aushalten müssen. Das ist wahrscheinlich gerade die Zeit. Denn sollte etwas passieren, wird jeder die Frage stellen: Warum hat man nicht abgesagt?

Wir machen uns auch Gedanken, können wir die Dinge, die wir vorhaben, in den nächsten Wochen überhaupt durchführen.

Sich neben diesen wunderschönen Aspekten, die der Karneval und die Kultur bieten, solche Gedanken machen zu müssen, ist wirklich schrecklich gerade.

DOMRADIO.DE: Ihr Verein besteht natürlich aus Juden. Gibt es da direkte Kontakte nach Israel, familiäre Verbindungen?

Aaron Knappstein

"Während des Terroranschlags der Hamas an diesem Samstag waren auch drei unserer Mitglieder in Israel und haben im Bunker gesessen."

Knappstein: Ja, natürlich. Viele von uns haben Verwandte in Israel. Die meisten haben Freundinnen und Freunde dort. Während des Terroranschlags der Hamas waren auch drei unserer Mitglieder in Israel und haben im Bunker gesessen. Wir haben das schon sehr nah miterlebt.

DOMRADIO.DE: Es gibt seit dem Krieg immer wieder Pro-Palästinensische Demonstrationen in Deutschland - auch in Köln. Wie schauen Sie darauf?

Knappstein: Grundsätzlich hat jeder das Recht zu demonstrieren. Deswegen sage ich, natürlich kann es diese Demonstrationen geben. Aber sie erschrecken natürlich in den Aussagen und in den Dingen, die dort in die Öffentlichkeit weitergetragen werden. Das erschreckt mich schon sehr. 

Aaron Knappstein

"Ehrlich gesagt, vermisse ich den Aufruf der moderaten Muslime etwas. Ich habe es auf jeden Fall noch nicht gehört, dass sie sich ganz klar gegen den Terror aussprechen."

Ehrlich gesagt, vermisse ich den Aufruf der moderaten Muslime etwas. Ich habe es auf jeden Fall noch nicht gehört, dass sie sich ganz klar gegen den Terror aussprechen, ohne alles andere abzusprechen, aber gegen den Terror. Das wäre schon eine gute Sache.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie ein Karnevalsverein, Sie sind der Präsident. In gut drei Wochen, am 11.11., beginnt die Session. Ist den kölschen Kippa Köpp nach Feiern zumute?

Knappstein: Eine sehr gute Frage. Wir machen uns sehr viele Gedanken. Wir haben - ich nenn es jetzt mal - das "große Glück", dass wir seit unserer Gründung um den 11.11. herum keine eigene Veranstaltung haben. Das heißt, wir müssen uns nicht als Verein darüber Gedanken machen, wollen wir da Karneval feiern oder nicht? Das muss jedes Mitglied selber sehen und für sich entscheiden.

Wir haben eine Kulturveranstaltung, die im November stattfindet. Die werden wir durchführen, weil wir sagen, wir wollen auch unsere Meinung nach außen tragen und damit auch Respekt zollen. Aber Karneval ist zur Zeit schon eine schwierige Geschichte, auch für die Kippa Köpp.

DOMRADIO.DE: Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine war der Straßenkarneval 2022 letztendlich abgesagt worden. Es gab keine Umzüge. Aktuell gäbe es ja wieder "gute Gründe" abzusagen.

Knappstein: Das müssen natürlich andere Stellen entscheiden. Der Unterschied war aber, dass der Überraschungsangriff genau an dem Tag kam, an dem der Straßenkarneval hätte starten müssen.

Aaron Knappstein

"Letztendlich wird da das Festkomitee gefragt sein, ob man vielleicht das eine oder andere Zeichen setzt".

Das wird jetzt ein wenig anders sein, weil dieser Konflikt weiter anhalten wird und der erste Angriff der Hamas dann schon einige Monate her sein wird, wenn der Straßenkarneval kommt. Es ist eine etwas andere Voraussetzung und letztendlich wird da das Festkomitee gefragt sein, ob man vielleicht das eine oder andere Zeichen setzt.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Kippa

Die Kippa ist eine kleine kreisförmige Kopfbedeckung. Männliche Juden tragen sie beim Gebet, an Gebetsorten wie Synagogen oder jüdischen Friedhöfen, teils auch im Alltag. Weder aus der Bibel, noch aus den jüdischen Gesetzbüchern ergibt sich ein Gebot für Männer, den Kopf beim Beten zu bedecken.

Die Kippa verbreitete sich seit dem 16. Jahrhundert und soll signalisieren, dass ihr Träger sich an die Gegenwart Gottes erinnert. Üblich ist sie in Synagogen ab dem dritten Geburtstag eines Jungen.

Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine ( shutterstock )
Quelle:
DR