DOMRADIO.DE: Welche Künstlerinnen und Künstler des kölschen Karnevals stellen Sie in Ihrer Revue vor?
Volker Scholz-Goldenberg (Mitglied Kölsche Kippa Köpp e.V.): Wir nennen unsere Revue bewusst eine Zeitreise. Wir tauchen in die Geschichte jüdischer Künstler und Künstlerinnen im Karneval der letzten 150 bis 80 Jahre, also bis 1933 ungefähr, ein. Wir werden verschiedene Künstler vorstellen, Büttenredner, Komponisten, Sänger, eine bunte Mischung.
DOMRADIO.DE: Wo und wie haben Sie diese Personen gefunden? In Archiven?
Scholz-Goldenberg: Das ist ganz unterschiedlich. Aus der vorhandenen Literatur gibt es eine ganze Reihe von Ansatzpunkten. Sobald wir Namen haben, fangen wir dann mit der Recherche an. Zeitungsarchive sind immer unsere ersten Anlaufstellen, wo man oft die Bezüge zu Karnevalsverein oder zu Veranstaltungen findet. Dann geht es in der Regel weiter in öffentliche Archive, Standesämter. Und so setzt sich dann Stück für Stück das Bild zusammen.
DOMRADIO.DE: Da sind jetzt natürlich mehrere Personen, die sie gefunden haben und die auch in der Revue vorkommen. Emil Jülich beispielsweise oder Gerti Ransohoff. Sie war die erste Büttenrednerin im Kölner Karneval, die mit einem Juden verheiratet war. Was war das für eine Frau?
Scholz-Goldenberg: Gerti Ransohoff war, wenn man nach der Presse der damaligen Zeit geht, ein kleiner Shootingstar. Sie war sehr jung und hat schon als 18-jährige auf der Bühne gestanden, was sicherlich in der damaligen Zeit als Frau was völlig ungewöhnliches war, weil der Sitzungskarneval eine große Männerdomäne gewesen ist. Das ist auch heute teils noch so.
Da ist Ransohoff tatsächlich eine Ausnahme gewesen. Sie hat sehr intensiv mit Hans David Tobar zusammengearbeitet. Er war ein guter Freund von Willy Ostermann in der damaligen Zeit vor 1933 in Köln, einer der bekanntesten jüdisch-kölschen Künstler. Tobar hat unter anderem Revuen geschrieben, aber eben auch Karnevalsreden.
Und Ransohoff ist eine der Künstlerinnen gewesen, die seine Texte auf die Bühne gebracht haben. Sie ist sehr jung verstorben. Ihr Mann hat sich 1932 das Leben genommen, aus Gründen, die wir natürlich nicht en détail wissen, und aus Verzweiflung ist sie ihm wenige Tage später in den Freitod gefolgt.
DOMRADIO.DE: Sie recherchierten für die Revue über lustige Leute, denn eine Büttenrede im Karneval hat immer mit Humor zu tun Und auf der anderen Seite recherchieren Sie diese Schicksale. Wir wissen aus der Geschichte, was passiert ist, was den Juden alles untersagt worden ist. Was macht das mit Ihnen?
Scholz-Goldenberg: Wir erforschen die Geschichte der Leute von ihrer Geburt bis zu ihrem Versterben. Da stoßen wir natürlich bei bei vielen jüdischen Personen irgendwann auf die Nazizeit. Man kommt zwangsläufig in die Zeit der Shoa und die ganze Palette der Schicksale, die man sich denken kann. Das ist immer sehr persönlich.
Man denkt natürlich drüber nach, gerade wenn es um Personen geht, die vor 1933 in den Zeitungen gefeiert wurden als Stars im Karneval oder auch in der kölschen Kultur. Und wenige Jahre später bringt man sie um und niemand nimmt mehr Kenntnis von ihnen. Wie sind die Leute, die noch ihre Fans waren, die sie bejubelt haben, damit umgegangen, dass sie plötzlich weg waren? Das ist schon immer ein sehr persönlicher Moment.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.
Veranstaltungshinweis: "Eine jüdische Zeitreise durch den kölschen Fastelovend" findet am 26. November um 19:30 Uhr in der Volksbühne am Rudolfplatz statt.