Kohlgraf sieht viele Bischöfe nicht mehr als Vorbilder

"Es erschüttert durchaus meinen Glauben"

Von Stolz zu Scham: Für den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf haben im Zuge der Veröffentlichung von Missbrauchsgutachten mehrerer Bistümer viele frühere Bischöfe ihre Vorbildfunktion eingebüßt.

Kohlgraf (DR)
Kohlgraf / ( DR )

"Viele Persönlichkeiten aus der sogenannten ersten Liga der Bischöfe sind heute zumindest in ihrem Ansehen angekratzt. Sie können nicht mehr meine Vorbilder sein", schreibt Kohlgraf in einer am Montag in Mainz veröffentlichten Stellungnahme.

"Namen von versagenden Verantwortlichen, die jetzt genannt werden, waren für mich viele Jahre, bei aller Distanz, immer auch Persönlichkeiten, die mein Kirchenbild geprägt haben", so Kohlgraf. Der 2017 gestorbene Kölner Kardinal Joachim Meisner habe ihn zum Priester geweiht. "Er war jahrelang mein Bischof, auch wenn ich durchaus eine differenzierte Wahrnehmung seiner Amtsführung habe und hatte", so Kohlgraf. Ein im März 2021 veröffentlichtes Gutachten hatte Meisner zahlreiche Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen attestiert.

Äußerung zu Höffner und Benedikt XVI.

Der 1987 gestorbene Kölner Erzbischof Joseph Höffner sei für ihn als Jugendlichem eine "faszinierende Persönlichkeit" gewesen, so Kohlgraf. "Er, der wegen seines Mutes während der Nazizeit ausgezeichnet wurde, steht heute in der Kritik wegen seines Verhaltens gegenüber Missbrauchsbetroffenen." Ein Gutachten wirft Höffner mehrere Pflichtverletzungen im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs vor.

"Bischofspersönlichkeiten sind komplex. Das gilt auch für den emeritierten Papst", so Kohlgraf. Das Münchner Missbrauchsgutachten weise Benedikt XVI. in seiner Zeit als Münchner Erzbischof Pflichtverletzungen nach, wie auch anderen Erzbischöfen, so Kohlgraf. Benedikts 82-seitige Stellungnahme stoße "in der Öffentlichkeit auf großes Unverständnis, ja Empörung".

Kohlgraf: Kirche ist mehr als der Bischof

Der Mainzer Bischof betonte: "Es erschüttert durchaus meinen Glauben, wenn auch ich heute wegen des augenscheinlichen Versagens kirchlicher Amtsträger kritisiert werde. Aus dem Stolz, für Jesus Christus unterwegs zu sein, ist bei mir immer wieder auch Scham geworden und der Wunsch, die Erde möge sich unter mir auftun."

Kohlgraf fügte hinzu: "Es gab Situationen in den vergangenen Jahren, nicht nur im Hinblick auf den Missbrauch, wo ich Scheu hatte, mich öffentlich zu zeigen." Für diese "oft versagende Kirche" müsse er als Bischof stehen, "und das werde ich wohl noch viele Jahre tun". Die Kirche sei mehr als der Bischof.

Quelle:
KNA