DOMRADIO.DE: Ein Bischof ohne Wappen, geht das überhaupt?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Das ist eine gute Frage. Wir müssen bedenken, dass wir in der kirchlichen Heraldik (Wappenkunde, Anm. d. Red.) - die eine lange altehrwürdige Tradition hat, wir können da gut 800 Jahre zurückgehen - früher genaue Vorschriften hatten. Die sind natürlich mit der Zeit etwas modifiziert worden. Sie sind dann auch nach dem Konzil vereinfacht worden.
Aber wenn wir ganz konkret fragen, was ein Bischof für ein Wappen haben muss, dann haben wir das letzte, richtig entscheidende Dokument im März 1969. Und das schreibt vor, dass Bischöfe und Kardinäle ein Wappen haben sollen mit dem römischen Hut und der jeweiligen Quasten-Anzahl. Nicht mehr, wie es früher üblich war, auch mit Mitra oder Bischofs- bzw. Abtstab.
DOMRADIO.DE: Und das sind dann die einzigen Regeln, die es heutzutage gibt?
Nersinger: Es tauchen dann auch nochmal ein paar Kleinigkeiten im Zeremonienbuch auf. Aber entscheidend ist der Text von 1969. Das ist ein Dokument des Staatssekretariats über die Kleidung, über die Anrede und über die Wappen der Bischöfe und Kardinäle.
Vorher hatten wir im Vatikan noch eine sogenannte "heraldische Kommission", die das genau geregelt hat. Das ist alles nicht mehr so. Das fällt jetzt ein bisschen in die Kompetenz des päpstlichen Staatssekretariats.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn Präzedenzfälle für einen Bischof ohne Wappen?.
Nersinger: Ich weiß von keinen bedeutsamen. Man ahndet auch heute so etwas nicht. Aber normalerweise findet ein Bischof ein Wappen und zwar ganz egal, ob er nun konservativ oder eher progressiv ist. Das gehört dazu. Das ist nicht nur Tradition, sondern auch etwas kulturelles. Ein Wappen hat ja eine enorme Bedeutung.
Dass man aus Rom eingeschritten ist, weil ein Bischof kein Wappen hat, ist eher selten. Das habe ich in dem Maße noch nicht gehört. Eher im Gegenteil. Früher war es so, dass man eingeschritten ist, wenn Bischöfe ihre Wappen überladen haben oder wenn sie Insignien gebraucht haben, die eigentlich verboten waren.
DOMRADIO.DE: Was heißt das denn jetzt in der Praxis? Was kommt auf den Briefkopf, auf die Kathedra?
Nersinger: Das ist eben die Problematik. Ein Wappen ist ja nicht nur ein Prunkstück oder etwas, was man zur Zierde braucht, sondern ein Wappen erzählt ja etwas. Ein Wappen ist ein Bild, das für sich sprechen soll. Es gibt Auskunft darüber, welche Diözese man vertritt, wo man herkommt.
Aber vor allen Dingen wollen sie mit dem Wappen ja etwas aussagen. Sie wollen sagen: Wie werde ich mein Bischofsamt ausüben? Das geht im Zusammenspiel natürlich auch mit einem Motto einher, das sie meistens unter das Wappen setzen.
DOMRADIO.DE: Was halten Sie ganz persönlich davon, dass der neue Bischof von Chur kein Wappen will?
Nersinger: Ich bin darüber sehr unglücklich und halte das für sehr unklug, weil man damit natürlich einen Bruch vollzieht. Weniger mit der Tradition, sondern auch mit einem kulturellen Geschehen. Wappen sind ja etwas, was auch eine Kultur ausdrückt. Ich sehe darin eine Verarmung. Wenn er sagt, das Kreuz reicht ihm: Gut! Dann soll er das Kreuz in seinem Wappen führen. Aber das so einfach zu verwerfen, finde ich nicht gut.
Ein bisschen hat das den Anschein einer Koketterie mit der Bescheidenheit. Das sollte man nicht tun. Also ich habe durchaus Verständnis, dass er das Kreuz in den Mittelpunkt setzen will. Aber warum kann man das nicht im Wappen tun? Ich denke, das wäre eine Möglichkeit und das sollte man tun. Einfach das jetzt zu eliminieren, halte ich für schlecht, weil dadurch im kirchlichen Bewusstsein etwas verloren geht. Wappen gehören zum Leben in der Welt dazu.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.