DOMRADIO.DE: Heute am Mittwochabend um 19:30 Uhr wird es in der Minoritenkirche in der Kölner Innenstadt ein Solidaritäts- und Benefizkonzert für die Ukraine geben. Veranstalter ist unter anderem Kolping International. Fangen wir mal konkret in der Ukraine an. Welche Arbeit leistet Kolping da?
Gregor Federhen (Länderreferent für Mittel- und Osteuropa bei Kolping International): Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir dort schon seit über 20 Jahren tätig sind und über ein großes Netzwerk verfügen, In über 25 Städten haben wir lokale Kolping-Selbsthilfegruppen. Und die haben ihre Arbeit seit Kriegsbeginn komplett umgestellt, jetzt auf humanitäre Nothilfe. Das heißt, viele der Einrichtungen, die wir im Land geschaffen haben, die dienen jetzt nicht mehr der Behinderten-Arbeit oder Bildungsarbeit, sondern fungieren jetzt als Notunterkünfte für die Binnenflüchtlinge. Und dort werden eben die Flüchtlinge, die jetzt aus dem Osten in Richtung Westen schon vertrieben wurden oder geflohen sind, erst mal untergebracht, versorgt oder dann auch weiter gebracht bis an die polnische oder rumänische Grenze.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja nicht nur vor Ort aktiv, sondern auch in den umliegenden Ländern und natürlich auch hier in Deutschland werden die Geflüchteten unterstützt. Wie sieht Ihre Arbeit denn da aus?
Federhen: In allen vier Nachbarländern, also Polen, Ungarn, Slowakei und Rumänien, sind alle Kolpings-Familien schon seit drei Wochen dabei, Hilfsgüter zu besorgen und Hilfstransporte auf den Weg zu bringen. Fast täglich erreicht ein Hilfstransport unsere Einrichtungen, wo die Güter von unseren freiwilligen Mitglieder dann abgeladen und dann auf andere LKWs umgeladen werden und dann weiter transportiert werden ins Innere des Landes; nach Lemberg oder in viele andere Städte, wo diese Hilfsgüter benötigt werden.
DOMRADIO.DE: Die Kolpings-Familien muss man vielleicht noch mal erklären, sie sind vielleicht nicht jedem ein Begriff. Und welche Rolle spielen die jetzt in diesem ganzen Prozess?
Federhen: Die Kolpings-Familien sind wirklich das Herz unserer Arbeit, also wirklich das größte Standbein für uns. Das sind lokale Selbsthilfegruppen, die meistens oder eigentlich immer an die katholischen Pfarrgemeinden angegliedert sind und wo es auch der Präses eine wichtige seelsorgerische Funktion übernimmt. Und die sind die Träger von allen Projekten und der ganzen Arbeit. Das sind alles Freiwillige. Und die haben ganz verschiedene Aufgaben und sind jetzt in der Ukraine auch weiterhin aktiv. Es haben natürlich einige, vor allen Dingen Mütter mit ihren Kindern, das Land verlassen. Aber dieses Netzwerk von den Kolpings-Familien ist weiter aktiv, sehr lebendig und sehr engagiert!
DOMRADIO.DE: Wie es den Menschen in der Ukraine oder auch denen, die schon geflüchtet sind, gerade geht, das kann man sich ja wirklich nur schwer vorstellen. Viele haben alles verloren, im schlimmsten Fall auch Familienmitglieder und die Heimat. Wie erleben Sie die Arbeit mit diesen Menschen?
Ich höre täglich von unseren Kollegen vor Ort, mit denen wir dauernd in Kontakt sind. Es gibt bei den Menschen natürlich viel Wut, Verzweiflung, auch von denen, die schon Angehörige verloren haben. Aber eigentlich ist das überwiegende Gefühl doch das einer wirklich festen Entschlossenheit, das Land zu verteidigen, ihre Heimat zu verteidigen. Und sie reden schon sehr viel vom Wiederaufbau. Die Menschen sind wirklich davon überzeugt, diesen Krieg gewinnen zu können. Und es gibt - würde ich sagen - viel größeren Patriotismus als Angst. Die vorherrschende Stimmung ist also die große Hilfsbereitschaft und ein unglaubliches Engagement. Es wird uns immer wieder zurück gespiegelt: Das haben sie noch nie erlebt; sie kennen niemanden, der nicht eingebunden ist, das gilt für die gesamte Bevölkerung: alle helfen mit, alle sind solidarisch und es ist unglaublich, was da für ein guter Spirit in der Bevölkerung zurzeit noch herrscht. Die Moral ist weiterhin sehr gut und es gibt eine wirklich unheimlich große Hilfsbereitschaft.
DOMRADIO.DE: Kommen wir noch mal zurück ganz kurz zum Konzert heute Abend in Köln. Muss man sich anmelden oder kann man einfach hingehen?
Federhen: Man kann einfach kommen, ohne sich anzumelden. Es gilt nur die 3G-Regel zu beachten. Ansonsten hoffen wir natürlich, dass das ein schöner musikalischer Abend wird. Und wie das bei einem Benefizkonzert üblich ist, wird um Spenden gebeten. Der Eintritt ist frei.
Das Interview führte Michelle Olion.