Kolumbianer wählen einen neuen Präsidenten

Wunsch nach einer harten Hand

Am Sonntag wird Kolumbiens Ex-Verteidigungsminister Juan Manuel Santos wohl Präsident. Er will die populäre Politik der harten Hand seines Vorgängers gegen die verhasste Guerilla fortsetzen. Dass er selber in der Vergangenheit Unschuldige töten ließ, spielte da im Wahlkampf keine Rolle mehr.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Sogar die Live-Übertragung der Fußball-WM aus Südafrika geriet für einige Minuten in den Hintergrund: Kolumbiens Staatspräsident Alvaro Uribe verkündete am Wochenende live via Bildschirm die geglückte militärische Befreiung von vier prominenten Armeeangehörigen aus der Gewalt der marxistischen Guerilla-Organisation FARC. Vor der zweiten und entscheidenden Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag gibt das Uribes Wunschnachfolger Juan Manuel Santos zusätzliche Rückendeckung. Noch einmal beherrschten Bilder und Schlagzeilen von erleichterten Familienangehörigen und glücklichen Ex-Geiseln die Medien.

Seit seinem überraschend klaren Erfolg im ersten Durchgang, als der ehemalige Verteidigungsminister Santos von der Uribe-Partei "La U" nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte, zweifelt in Kolumbien niemand mehr daran, dass der Spross einer mächtigen Verleger- und Medienfamilie des Landes am Sonntag einen klaren Sieg einfahren wird. Santos verspricht seinen Landsleuten vor allem Sicherheit: "Mit mir könnt ihr weiter ruhig schlafen", kündigt der 58 Jahre alte Journalist an - und spricht dabei dem Volk aus der Seele.

Santos will Uribes populäre Politik der harten Hand gegen die verhasste Guerilla fortsetzen. Die zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen, für die Santos während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister die Verantwortung trägt, spielen im Wahlkampf kaum noch eine Rolle. Wohl in keinem anderen Land der Welt hätte ein Politiker mit dieser Vergangenheit eine politische Überlebenschance. Mehr als 300 unschuldige Mordopfer - von Armeeangehörigen als Guerilla-Kämpfer ausgegeben, um für deren Tötung Prämien zu kassieren - gab es während Santos' Amtszeit als Verteidigungsminister.

Sehnsucht nach verbesserter Sicherheitslage
Doch in Kolumbien gehen die Uhren anders: Die Menschen in dem südamerikanischen Land, das jahrelang unter den Folgen des bewaffneten Konfliktes litt, sehen vor allem die militärischen Erfolge und damit eine verbesserte Sicherheitslage im Land. Nach acht Jahren Uribe erlebt Kolumbien einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine innere Sicherheit, die es so noch nicht kannte. Uribe selbst darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten.

Santos' Konkurrent Antanas Mockus kann mit seiner Partei der Grünen zwar auf eine breite Unterstützung vor allem junger Wähler hoffen. Doch die jüngsten Umfragen sagen dem ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Bogota nur knapp 35 Prozent der Stimmen voraus. Da hilft es wenig, dass Mockus in neuesten Wahlspots ankündigt, mit der FARC nur verhandeln zu wollen, wenn die Guerilla alle noch verbliebenen rund 800 Geiseln freilässt.

Kirche distanizert sich
Der Universitätsprofessor und Sohn litauischer Einwanderer ist zwar wegen seiner intelligenten Analysen populär, aber die Menschen trauen dem Akademiker offenbar nicht zu, das Land auch tatsächlich führen zu können. Dennoch wird Mockus in Zukunft eine zentrale Rolle spielen - denn einen starken Oppositionsführer hatte das Land während der achtjährigen Amtszeit der politischen Lichtgestalt Uribe nicht.

Die katholische Kirche Kolumbiens hat sich zuletzt ungewöhnlich deutlich von Uribes Politik der harten Hand distanziert. Bischof Leonardo Gomez, der erst vor wenigen Wochen als Vermittler erfolgreich eine Geiselfreilassung auf dem Verhandlungsweg erreichte, mahnte mitten in der Euphorie um den neuen geglückten Coup am Wochenende: "Als Kirche schlagen wir vor, den Weg für humanitäre Lösungen zu finden." Man werde keine Politik und keinen Kandidaten unterstützen, der nicht den Weg des Dialogs einschlage.