Adveniat-Weihnachtsaktion 2021 eröffnet

"Konkrete Hilfe möglich machen"

Unter dem Motto "ÜberLeben in der Stadt" eröffnet Adveniat am ersten Advent die Weihnachtsaktion des Lateinamerika-Hilfswerkes. Heiner Ganser-Kerperin betreut die Aktion und blickt sorgenvoll auf die wichtige Weihnachtskollekte.

Mit Hilfe von Adveniat sorgen sich die Scalabrinianer-Schwestern um die Migranten, die in Manaus stranden / © Florian Kopp (Adveniat)
Mit Hilfe von Adveniat sorgen sich die Scalabrinianer-Schwestern um die Migranten, die in Manaus stranden / © Florian Kopp ( Adveniat )

DOMRADIO.DE: Bischof Genn hat gesagt: "Adveniat ist die Stimme der armen und notleidenden Menschen Lateinamerikas hier bei uns in Deutschland. Nie war es notwendiger, diese Stimme lautstark zu erheben." Warum hat der Bischof recht?

Heiner Ganser-Kerperin (Leiter der Abteilung Bildung bei Adveniat): Der Bischof hat uns damit natürlich zunächst ein Kompliment gemacht, weil er wahrnimmt und weil deutlich wird, dass wir von Adveniat aus die Aufgabe haben, die Perspektive und die Stimme der Menschen am Rand der Städte und am Rand unserer Gesellschaft ins Zentrum reinzubringen.

Diese Aufgabe ist in letzter Zeit immer wichtiger geworden, weil gerade in Lateinamerika die Corona-Pandemie gezeigt hat, dass die Armut zurückgekehrt ist und die Menschen in Not sind und es einfach jemanden braucht, der sich mit ihnen gemeinsam dafür einsetzt, dass ihre Stimme und ihre Rechte gehört werden.

DOMRADIO.DE: "ÜberLeben in der Stadt" - das ist das Motto der diesjährigen Weihnachtsaktion. Welche Probleme haben denn die Menschen gerade in den Großstädten Lateinamerikas und der Karibik?

Ganser-Kerperin: Lateinamerika ist gekennzeichnet durch eine starke Verstädterung. Über 80 Prozent der Menschen dort leben in den Städten und die Tendenz ist zunehmend. Das heißt, es kommen immer mehr Menschen in die Städte hinein. In Mexiko-Stadt zum Beispiel leben über 22 Millionen Menschen.

Und das oft in Situationen, wo die Stadt gar nicht darauf vorbereitet ist, so viele Menschen aufzunehmen. Das heißt, die Menschen haben keine Kondition, keine guten Voraussetzungen, um in der Stadt das zu finden, was sie suchen, nämlich einen sicheren Ort, an dem sie gut leben können. Und diese Situation der Not, der Unsicherheit und dieses an den Rand gedrängt werden, führt dazu, dass mannigfaltige Probleme für die Menschen in den Städten entstehen, die dort hinkommen.

Ihnen fehlt es an Zugang zu Bildung, Zugang zu Gesundheit, Zugang zur vernünftigen Versorgung mit Lebensmitteln, Infrastruktur und so weiter. Und das sind riesige Schwierigkeiten, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben und wo die Projektpartnerinnen und Projektpartner von Adveniat versuchen, mit den Menschen gemeinsam an ihrer Seite zur Verbesserung der Situation beizutragen.

DOMRADIO.DE: Wie machen die das?

Ganser-Kerperin: Adveniat denkt sich keine Projekte aus, sondern wie reagieren auf Anträge unserer Partnerinnen und Partner, die vor Ort mit den Menschen in der Peripherie leben. Zum Beispiel in der Peripherie von Manaus hat Erzbischof Steiner, der in diesen Tagen zu Besuch ist, berichtet, leben Schwestern in den Randgebieten mit den Menschen und sorgen dafür, dass die Menschen sich artikulieren können.

Dass sie Zugang bekommen, dass Gebäude geschaffen werden, wo sie sich treffen können, dass sie in der Corona-Notsituation mit Lebensmitteln versorgt werden, also dass ihnen ganz praktisch geholfen wird. Und diese Anträge und die Arbeit der Schwestern, die dann zu Adveniat kommen, die werden von uns dann mit Finanzmitteln, die wir aus Spenden und aus der Weihnachtskollekte erhalten, abgedeckt. Wir versuchen an möglichst vielen Orten konkrete Hilfe möglich zu machen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie die Weihnachts-Kollekte angesprochen. Die ist extrem wichtig für Ihre Hilfe. Jetzt kommt aber Corona wieder mit erschreckendem Ausmaß. Haben Sie Sorge, dass das die Spendenbereitschaft stark beeinträchtigen wird dieses Jahr?

Ganser-Kerperin: Ja. Die Spendenbereitschaft, glaube ich, ist nach wie vor da. Die Menschen lassen sich ansprechen. Aber dadurch, dass die Menschen nicht mehr in die Gottesdienste gehen, einfach die Kollekten nicht so gehalten werden können wie gewohnt, gibt es nicht so viele Gelegenheiten, dass sie Menschen spenden.

Und ja, wir haben große Sorge, dass die Kollekteneinnahmen in diesem Jahr stark zurückgehen werden. Im letzten Jahr mussten wir das auch erleben, dass die Einnahmen sich drastisch verringert haben und wir zum Glück einen größeren Teil an Einzelspenden bekommen haben. Auf verschiedenen Wegen haben Menschen sich solidarisch gezeigt. Sie haben Einzelüberweisungen und Onlinespenden gemacht und so weiter. Aber insgesamt sind dadurch leider auch die Einnahmen im letzten Jahr zurückgegangen. Und wir befürchten, dass das in diesem Jahr ähnlich werden kann.

Das Interview führte Martin Mölder.


Quelle:
DR
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