Konservative Anglikaner sagen sich von der Mutterkirche los

"Riss kann nicht mehr geflickt werden"

Die anglikanische Glaubensgemeinschaft steht am Scheideweg. Gestritten wird weiter über die Segnung homosexueller Paare. Nach einem Gipfeltreffen orthodoxer Mitglieder in Afrika scheint die Spaltung in vollem Gange.

Autor/in:
Markus Schönherr
Anglikanische Bischöfe ziehen zu einem Gottesdienst in die Kathedrale von Canterbury ein (Archiv) / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Anglikanische Bischöfe ziehen zu einem Gottesdienst in die Kathedrale von Canterbury ein (Archiv) / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

"Wiederholte Abkehr vom Wort Gottes hat das Gemeinschaftsgefüge zerrissen. Die Warnungen wurden unverhohlen und bewusst ignoriert. Jetzt stehen wir an einem Punkt, an dem der Riss ohne Buße nicht mehr geflickt werden kann."

Die Schlusserklärung des jüngsten Gipfels des konservativen anglikanischen Netzwerks GAFCON (Global Anglican Future Conference) liest sich mehr wie eine Streitschrift. Fünf Tage lange tagte es vergangene Woche in Ruandas Hauptstadt Kigali.

Schlag gegen die englische Mutterkirche

Die anglikanische Bewegung vereint überwiegend die orthodoxen Provinzen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens; doch auch europäische und nordamerikanische Anglikaner sind vertreten. In Kigali holten die 315 Bischöfe aus 52 Staaten zum bislang heftigsten Schlag gegen die englische Mutterkirche aus.

Ein homosexuelles Paar hält sich an den Händen / © 9nong (shutterstock)
Ein homosexuelles Paar hält sich an den Händen / © 9nong ( shutterstock )

Die anglikanische Gemeinschaft ist erneut in Aufruhr, seit die Church of England zu Jahresbeginn Segnungen homosexueller Paare freigab.

Damit sei Erzbischof Justin Welby von Canterbury "vom rechtmäßigen Glauben abgekommen", meinen konservative Anglikaner.

Widerstand kommt vor allem aus Afrika: Mit der Entscheidung habe die englische Mutterkirche ihre "theologische Legitimität verloren", wetterte etwa der Primas der Church of Uganda, Erzbischof Stephen Samuel Kaziimba.

Justin Welby / © Beresford Hodge (dpa)
Justin Welby / © Beresford Hodge ( dpa )

Kurz nachdem er härtere Strafen für Homosexuelle gefordert hatte, erließ das Parlament in Kampala ein Gesetz, das lange Haftstrafen und für "Serientäter" die Todesstrafe vorsieht. Bereits davor zählte Uganda zu den mehr als 30 Staaten Afrikas, die Homosexualität unter Strafe stellen.

Streit dauert seit Jahrzehnten an

Seit Jahrzehnten streiten die Anglikaner über Frauenpriestertum und Homosexualität. Bislang einigte man sich stets darauf, uneinig zu sein, in Geschwisterlichkeit und gegenseitigem Respekt. Jetzt aber erklärten die GAFCON-Delegierten: "Wir können nicht länger in guter Uneinigkeit mit jenen gemeinsam gehen, die sich bewusst dazu entschlossen haben, sich vom Glauben abzukehren."

Symbolbild: Blasphemie / © SNeG17 (shutterstock)

"Der Anglikanischen Gemeinschaft Blasphemie vorzuwerfen, ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Das beschreibt unmissverständlich ein Schisma", sagt Professor Asonzeh Ukah. Für den Religionswissenschaftler an der Universität Kapstadt stellt sich nicht die Frage, ob es wirklich zu einer Kirchenspaltung komme, sondern wann. Die Erklärung von Kigali sei eine "mächtige und erbarmungslose Positionierung" gegen die Gemeinschaft mit der Church of England.

Für die Reformierte Evangelikale Anglikanische Kirche Südafrikas (REACH) ist dies längst Realität. Das heutige GAFCON-Mitglied habe sich bereits 1938 von der Mutterkirche losgesagt, berichtet Bischof Glenn Lyons.

Für ihn steht fest: "Es ist unmöglich für Canterbury, die Gemeinschaft zusammenzuhalten angesichts einer so grundlegenden Abkehr von der biblischen Lehre, was Geschlecht und Sexualität betrifft." In Lyons' Augen ist die Spaltung längst vollzogen. "Egal, was auf dem Papier steht: Tatsächlich existieren bereits zwei verschiedene anglikanische Gemeinschaften auf dieser Welt: die orthodoxe und die liberale."

Laut Religionsforscher Ukah herrscht auf beiden Seiten Furcht vor der Scheidung. "Also scheinen sie indirekt miteinander zu kommunizieren.

Appelle an die Vernunft

Jede der beiden Gruppen appelliert unterschwellig an die andere, vernünftig zu urteilen und ihre Handlungen und Positionen nachzuvollziehen." Was Geld und weltlichen Besitz angeht, habe das konservative Lager selbst ohne Londons Unterstützung wenig zu befürchten. Schwieriger werde es, auch in Sachen Theologie, Heilige Schrift und Praxis, Liturgie und Administration auf eigenen Beinen zu stehen, prophezeit Ukah.

Eine anglikanische Kirche im ländlichen Raum / © Phil Silverman (shutterstock)
Eine anglikanische Kirche im ländlichen Raum / © Phil Silverman ( shutterstock )

Grundsätzlich habe aber die Church of England mehr zu verlieren als die orthodoxen Rebellen: Es gehe um Millionen Gläubige in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in Teilen des Westens - also um Glaubwürdigkeit und Autorität. "Was die Church of England verliert, eignet sich die andere Seite an und steckt es in ein neues Kleid, damit es zu ihrer eigenen Ideologie und Rechtschaffenheit passt", so Ukah.

REACH in Südafrika ist das Modell dieser Entwicklung: Sein Priesterkolleg in Kapstadt bildet Studenten vom gesamten Kontinent aus. Mit gleichgesinnten Anglikanern steht die Kirche in regem Austausch. Über die Jahre wuchs die Gemeinschaft auf 250 Kirchen an, die über die ganze Region verstreut sind. "Unsere Kirche im südlichen Afrika hat über viele Jahrzehnte gelernt, ohne Canterbury zu überleben", so Bischof Lyons.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das «Book of Common Prayer».

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
KNA