DOMRADIO.DE: Hier in Rom ist gegenwärtig kein Konzil, aber eine Synode. Wie erleben Sie die, Herr Professor Bauer?
Christian Bauer (Professor für Pastoraltheologie an der Universität Münster, forscht zur Konzilstheologie): Das ist ein wirklich spannendes, weltkirchliches Abenteuer für einen Pastoraltheologen. Man kommt gar nicht aus dem Wahrnehmen raus auf den verschiedenen Ebenen, an den verschiedenen Orten.
Was hier sich als synodal ereignet, in der Aula, außerhalb der Aula, ist schon vergleichbar mit dem Konzil. Wesentliche Dinge passieren auch außerhalb der Aula: Kontakte, Gespräche. Das ist unglaublich faszinierend wahrzunehmen. Ich werde wahrscheinlich zwei Wochen brauchen, um die Eindrücke irgendwie verarbeiten zu können.
DOMRADIO.DE: Was hat sich jetzt schon an Eindrücken festgesetzt?
Bauer: Ein Eindruck ist: Da ist was in Bewegung. Das ist überall zu spüren, das ist zu spüren in allen Gesprächen mit den verschiedenen Kontexten. Es gibt Skepsis, was herauskommen wird aus der Synode. Es gibt aber auch durchaus Gründe zur Hoffnung. Die Frage ist: Wie schafft man es, einen Schritt vorwärts zu kommen als Weltkirche und sich nicht blockieren zu lassen von den wenigen, aber sehr lauten Bremsern?
DOMRADIO.DE: Die deutsche Kirche hat ja gut vorgearbeitet mit ihrem Synodalen Weg. Wie erleben Sie die deutsche Kirche hier?
Bauer: Auch das ist sehr spannend, denn auch da gilt: Je näher man hinschaut, desto komplexer wird die Wirklichkeit. Es ist nicht mehr so, dass die Deutschen der Buhmann der Weltkirche sind. Das funktioniert nicht mehr, dieses Narrativ. Spätestens seitdem mit der Synthese der kontinentalen Phase der Vorbereitungszeit der Synode klar wurde: Die Themen, die in Deutschland auf dem Synodalen Weg besprochen werden, sind die Themen der Weltkirche.
Was ich eher erlebe, ist, dass man Fragen stellt an das "Wie" des Synodalen Wegs, also ob man da nicht vielleicht auch noch besser werden könnte in der Form, wie man mit Minderheiten in Kontakt kommt. Ich finde zum Beispiel auch das Setting hier total spannend: diese runden Tische, die in der Synodenaula stehen. Vielleicht wäre das auch ein Weg gewesen, auf dem Synodalen Weg noch mal anders miteinander in Kontakt zu kommen.
DOMRADIO.DE: Uns wurde als Journalisten gesagt, dass mittlerweile schon gut 1/3 der Teilnehmer der Synode das Wort ergriffen hat. Wie wichtig ist es, dass alle miteinander ins Gespräch kommen?
Bauer: Unglaublich wichtig wird vor allem, dass wirklich alle Stimmen gehört werden. Denn das war weltkirchlich die letzten Jahrzehnte überhaupt nicht der Fall. Wir haben einfach Machtstrukturen in dieser Weltkirche, die sich verfestigt haben. Und es fängt langsam vorsichtig an, dass diese Machtstrukturen aufbrechen.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist es da, dass die Theologie immer wieder den nötigen Nährboden bietet, die Basis für diese Diskussion?
Bauer: Die Theologie ist so eine Sache, auch jetzt hier in der Synodenaula sitzt die Theologie am Rande, eher am Katzentisch. Und das war im Konzil definitiv anders. Das Konzil war ja fast schon, wenn man es flapsig sagt, so eine große Fortbildungsveranstaltung für den Weltepiskopat, um auf die Höhe der theologischen Themen der Zeit zu kommen. Jeder Bischof hatte seinen Peritus (Konzilstheologe, Anm. d. Red.) dabei. Und hier ist es so, dass zum Beispiel die lateinamerikanischen Bischöfe sich Theologinnen und Theologen mitgenommen haben, um sich auch die Expertise mit in den Prozess hinein zu holen. Die deutschen Bischöfe haben meines Wissens nach darauf verzichtet.
Die Rolle der akademischen Theologie war auf dem Konzil sehr viel stärker. Darüber kann man jammern. Man kann aber auch sagen: Okay, da machen wir was aus der Situation. Ich glaube, Theologie ist hier auch gut beraten, auf den Wahrnehmungsmodus zu schalten, erst mal wahrzunehmen, was passiert hier weltkirchlich. Es ist ja auch nicht mehr so wir früher, Kardinal Fernandez hat in seinem Interview auch darauf hingewiesen vor einigen Wochen: Wir haben über Jahrzehnte große Exportschlager in die Welttheologie exportiert. Also Namen wie Karl Rahner kennt jeder weltweit. Diese Zeiten sind vorbei. Da kann man jetzt jammern und sagen "Schlimme Welt".
Oder man kann sagen: Okay, wir nehmen die Herausforderung an und werden einfach mehrsprachig. Wir müssen auch auf Englisch publizieren. Wir müssen andere Sprachen lernen, müssen auch kulturell mehrsprachig werden. Und dazu sind synodale Orte von Weltkirche ein enorm spannendes Lernfeld.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich, dass die Synode noch lernt?
Bauer: Die Synode muss lernen, nicht nur miteinander zu unterscheiden, sondern auch miteinander zu entscheiden. Da ist es ein kleiner, vorsichtiger Beginn, dass jetzt auch Laien und Frauen mit abstimmen dürfen. Aber die Synode bildet so sicher noch nicht die ganze Breite des Volkes Gottes ab, also von der kleinen Pfarrgemeinderätin in XY bis zum Kurienkardinal.
Das ist noch sehr disproportional und das war in der Kirchengeschichte auch schon mal anders. Es ist auch lokal teilweise anders. Da müssen wir noch lernen, wenn es um die Mitentscheidung geht, stärker von einer Volk-Gottes-Ekklesiologie her zu denken.
DOMRADIO.DE: Jetzt kennen Sie die Erwartungshaltung in Deutschland gerade auch an die Weltsynode in Rom und Sie erleben Rom. Geht das gut?
Bauer: Da sind einige vorprogrammierte Enttäuschungen dabei. Ich hatte allerdings auch gar nicht die Illusionen, als ich hierher gefahren bin, dass jetzt in dieser Phase der Synode viel entschieden wird. Hier wird vor allem über das "Wie" der Entscheidung gesprochen, und ich halte es von Papst Franziskus auch für sehr klug, jetzt noch nicht mit aller Macht neue Themen zu entscheiden, die ich mir definitiv wünschen würde, keine Frage.
Aber ich glaube, er geht mehr in den Maschinenraum der Kirche. Er ändert weniger die konkreten Entscheidungen, sondern den Weg, auf dem Entscheidungen zustande kommen. Deswegen eine Synode über Synodalität. Ich glaube, da verändert sich sehr viel an den Entscheidungsprozessen. Aber da müssen wir auch ran.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind endgültige Entscheidung sowieso noch nicht vorgesehen. Die Synode geht erst im nächsten Herbst zu Ende. Denken Sie, dass man bis dahin noch genügend Zeit hat, gerade die Prozesse, die Sie als Hoffnung geäußert haben, noch umsetzen kann?
Bauer: Das wird die Aufgabe des nächsten Jahres sein, da weltkirchlich wirklich weiterzuarbeiten, auch ein Auftrag an die akademische Theologie, da unterstützend tätig zu sein. Wir hatten jetzt ein erstes Welttreffen von "lay ministers", so haben wir es auf Englisch genannt. Das ist das, was in Deutschland Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten sind, die gibt es in verschiedener Form auf der ganzen Welt. De haben wir vernetzend, zusammengebracht und haben auch mit denen zusammen die Stimme erhoben für die Synode.
Ich glaube, solche Prozesse braucht es ganz viele. Es gibt Frauen, die sich hier in Rom treffen. Es gibt eine Menge theologischer Zuarbeit, Vorarbeit, und das muss einfach intensiv weitergehen im nächsten Jahr. Meine Hoffnung ist, dass sich etwas aufbrechen lässt.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.