Papst setzt Kardinal Müller am Obersten Gerichtshof ein

Kopfzerbrechen über Franziskus' Entscheidung

Kardinal Gerhard Ludwig Müller bekommt im Vatikan eine neue Aufgabe. Nachdem der Papst ihn 2017 nicht als Präfekt der Glaubenskongegration bestätigt hatte, setzt er ihn jetzt am Obersten Gerichtshof ein. Ein Aufstieg für den umstrittenen Kardinal?

Kardinal Gerhard Ludwig Müller (m.) im Gespräch (Archiv) / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Gerhard Ludwig Müller (m.) im Gespräch (Archiv) / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur wird Kardinal Müller jetzt arbeiten. Was ist das für ein Gerichtshof?

Nersinger: Das klingt sehr pompös. Aber dahinter verbirgt sich eigentlich nur ein Berufungsgericht, ein Kassationsgerichtshof. Es ist eine Einrichtung in der katholischen Kirche von Papst Johannes Paul II, der die Kurienreform damals gemacht hat. Er hat es sehr schön kurz zusammengefasst, er hat gesagt, dieser Gerichtshof hat dafür zu sorgen, dass die Gerechtigkeit in der Kirche auf rechte Weise gepflegt wird.

Und das soll er in der Form tun, dass man gegen bestimmte Entscheidungen in Rom Einspruch erheben kann, dass man bitten kann, dass bestimmte Urteile ausgesetzt werden oder zeitlich begrenzt sind. Man kann sich auch an diesen Gerichtshof wenden, wenn man glaubt, dass Richter in Rom bei den anderen Gerichtshöfen – bei der Rota zum Beispiel – befangen sind oder dass sie auf irgendeine Weise nicht zu einem Urteil kommen können, dann hat der Gerichtshof auch die Aufgabe, die ganze Amtsführung im Gerichtsbereich in Rom zu überwachen und gegen Anwälte oder Prozessbeteiligte einzuschreiten, wenn es erforderlich ist.

Er hat über bestimmte Bitten an den Heiligen Stuhl zu entscheiden und seit 2020 hat ihm dann auch Papst Franziskus die Aufgabe übertragen, als oberstes Berufungsgericht, als Kassationsgerichtshof, für den Vatikanstaat einzutreten.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist denn dieser Oberste Gerichtshof? Ist er so wichtig wie die Glaubenskongregation, in der Müller dann ja nicht mehr arbeiten sollte?

Nersinger: Er ist wichtig, aber man muss sich anschauen, wie dieser Gerichtshof arbeitet. Dieser Gerichtshof arbeitet kollegial. Das heißt, es gibt im Großen und Ganzen bis auf wenige Ausnahmen keine Einzelentscheidungen des Präfekten oder eines Kardinals, sondern in der Regel werden die Fälle von einem Richterkollegium von fünf Kardinälen oder Erzbischöfen entschieden, manchmal auch in einem Dreierkollegium. Also es ist nie die Richter, der allein entscheidet.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Kardinal Müller wird jetzt dort in einem Team arbeiten?

Nersinger: Ja, genau das heißt es.

DOMRADIO.DE: Seit 2017 hat Kardinal Müller keine offizielle Funktion mehr an der Kurie und steht mit 73 auch kurz vor dem bischöflichen Ruhestansdalter. Da hätte doch jetzt der Papst auch einfach ganz in Ruhe in seinen Lebensabend genießen lassen können. 

Nersinger: Ja, da bräuchten wir ein anderes Kollegium aus der Antike: die Auguren, die aus den Gedärmen oder aus dem Flug der Vögel den Willen der Republik oder hier in dem Falle den Willen des Papstes erforschen. Also das ist schwer zu beurteilen, warum Kardinal Müller da wieder eingesetzt worden ist. Man muss sich vor Augen halten, dass es eben nicht so ein Posten ist, wie er ihn gehabt hat. Ob das ein Trostpflaster ist oder ob man doch die immerhin doch gewichtige Person des Kardinals in irgendeiner Form ehren will, das weiß man nicht.

Aber wenn ich mir so die Nachrichtenlage momentan auch in den kirchlichen Medien anschaue, dann fällt mir so ein altes Sprichwort ein von Horaz, der sagte einmal: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Also ich würde diese Entscheidung des Papstes jetzt nicht überbewerten und auch die Rolle von Kardinal Müller, bei aller Hochachtung für seine Person und für sein bisheriges Wirken, würde ich jetzt nicht in neuen Dimensionen sehen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )
Quelle:
DR
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