Über das Motiv der Tat vom Donnerstag und den Zustand des zweiten Geistlichen wurde zunächst nichts bekannt. Bei dem Getöteten handelt es sich um einen Priester aus dem oberägyptischen Bani Suief, der sich zu einer Konferenz in der Hauptstadt aufhielt, wie die koptisch-orthodoxe Kirche mitteilte. Der Angreifer wurde laut ägyptischen Medienberichten festgenommen.
Bischof Raphael von Kairo verurteilte laut dem arabischsprachigen Nachrichtenportal "Abouna" am Freitag die wiederkehrenden Gewaltakte. Bei einer Trauerfeier für den toten Priester appellierte er an die ägyptischen Behörden, die "Kultur eines durch Gewalt, Terrorismus und Extremismus vergifteten Volkes" zu verändern.
Eingriffe in die Religionsfreiheit
Immer wieder kommt es in Ägypten zu gewaltsamen Übergriffen auf koptische Christen. Bereits im September warfen Menschenrechtler Ägyptens Behörden eine willkürliche Einschränkung der Religionsfreiheit koptischer Christen vor. Mindestens 58 Kirchen seien auf staatliche Anordnung in den vergangenen Monaten angeblich aus Sicherheitsgründen geschlossen worden, teilte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mit.
"Dies ist ein massiver Eingriff in die Glaubensfreiheit koptischer Christen und macht deutlich, dass Kopten in dem mehrheitlich muslimischen Land noch immer nicht als gleichberechtigte Bürger anerkannt sind", kritisierte GfbV-Direktor Ulrich Delius.
Zudem werden vor allem in den von Kopten bewohnten Oberägypten in vielen Dörfern, nach Protesten von Muslimen aus der Nachbarschaft, Kirchen geschlossen. Die Sicherheitskräfte behaupteten, die Kirchengemeinden seien nicht wirksam vor Terrorangriffen zu schützen. Delius nannte die offizielle Begründung "absurd und ein Armutszeugnis für Ägyptens Polizei und Armee", denen das in der Verfassung garantierte Recht auf Religionsfreiheit sei für alle Bürger zu gewährleisten.
Ausübung des Glaubens werde verweigert
"Es kann nicht angehen, dass wegen Einschüchterungen und Pöbeleien von muslimischen Extremisten vielen Kopten die Ausübung ihres Glaubens verweigert wird." Seit 2012 mussten laut GfbV landesweit 67 Kirchen schließen, nur neun seien inzwischen wiedereröffnet. Die Behörden hätten den Kopten mehrfach zugesagt, sich um eine baldige Wiedereröffnung aller Kirchen zu bemühen.
Für die Kopten bedeuteten die Schließungen einen tiefen Einschnitt, da sie meist keine alternativen Orte für ihre Gottesdienste hätten, sagte Delius. Laut dem koptischen Bischof Makarios fehlen in rund 70 Dörfern seines Bezirkes Kirchen, da trotz eines neuen Gesetzes keine Genehmigung zu deren Bau erteilt werde. Die Kopten stellen Schätzungen zufolge rund zehn Prozent der Bevölkerung Ägyptens.
Gemeinschaft der Kopten
Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Realistische Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen 7 und 10 Millionen unter den rund 95 Millionen Einwohnern Ägyptens. Etwa eine weitere halbe Million Kopten lebt in anderen Ländern, davon schätzungsweise 12.000 in Deutschland.