Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Uhl (CSU), sagte am Mittwoch in Berlin: "Den Umtrieben der wachsenden radikal-salafistischen Bewegung in Deutschand muss dringend Einhalt geboten werden." Die Beauftragte der SPD-Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Kerstin Griese, äußerte ihre "große Sorge" über die breit angelegte Verteilaktion. Die Einstellungen und Motive der dahinter stehenden Personen seien äußerst bedenklich und das Gedankengut der Salafisten nicht mit dem deutschen Staatsverständnis vereinbar.
CDU: Aggressive Aktion stoppen
Mit dem Ziel, alle deutschen Haushalte zu erreichen, haben Anhänger der radikalislamischen Salafisten-Bewegung damit begonnen, in den Fußgängerzonen deutscher Städte und über Internet kostenlos Koran-Exemplare an Nichtmuslime abzugeben. Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU) erklärte dazu in der "Rheinischen Post": "Wo immer dies möglich ist, muss diese aggressive Aktion gestoppt werden." Wo es nicht zu verhindern sei, müsse die Aktion von den Behörden überwacht werden, damit Straf- und Ordnungsrecht eingehalten würden. Insbesondere vor Schulen sei das Verteilen des Koran nicht hinnehmbar.
Grünen-Chef Cem Özdemir bezeichnete die Verteilung als eine "Werbestrategie" von Radikalen: "Es ist offensichtlich, dass mit dieser Aktion die Strategie verfolgt wird, sich als Sprachrohr der Muslime darzustellen und den vermeintlich einzig wahren Islam zu propagieren." Das dürfe man den Salafisten nicht durchgehen lassen. Die übergroße Mehrheit der Muslime habe "mit islamischem Fundamentalismus nichts am Hut".
Zentralrat der Muslime mahnt zu respektvollem Umgang mit Koran
Kritisch äußerte sich auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Der Koran sei das Wort Gottes und "kein PR-Flyer oder Flugblatt, den man als Massenware verteilt", sagte der ZMD-Vorsitzende Ayman Mazyek in Köln. Der Koran werde durch das gute Beispiel gelernt, gelehrt und geehrt. Ihn ohne Vorbild und Erläuterung auf der Straße zu verteilen, "konterkariert diesen Gedanken", so Mazyek. Im schlimmsten Fall werde er als Altpapier weggeworfen.
Mazyek sagte, die Gefährten des Propheten Mohammed hätten sich davor gehütet, Koranverse nur auswendig zu lernen, ohne sich über ihre Bedeutung "nicht hundertprozentig sicher" zu sein. So bedächtig und respektvoll seien die Vorbilder mit den Versen umgegangen.
Auch die christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstätte der Deutschen Bischofskonferenz (CIBEDO) sieht das Vorgehen der Salafisten mit Sorge. Geschäftsführer Timo Güzelmansur sagte im domradio.de-Interview, diese radikale Richtung des Islam sei keinesfalls am Dialog interessiert, sondern betrachte Toleranz und jede Integration von Muslimen als Verderben. Gerade Jugendliche, die eine labile Persönlichkeit hätten, könnten für die Salafisten anfällig sein. Insgesamt gibt der Islamexperte der Aktion aber wenig Erfolgschancen. "Denn der Koran ist nicht so einfach zu verstehen, wie diese Gruppe behauptet."
Der Salafismus ist eine islamisch-fundamentalistische Strömung. Ihr Vorbild sind die "Vorfahren", arabisch "salaf", der ersten drei Generationen von Muslimen. Sie lebten nach Meinung der Salafisten den "reinen Islam" der Frühzeit während und kurz nach den Offenbarungen Mohammeds. Der salafistische Islam ist geprägt von einem buchstabengetreuen Koranverständnis und Intoleranz gegenüber anderen Denkweisen. Ein Teil der Salafisten ist zwar gegen Gewalt zur Durchsetzung eines Gottesstaates, allerdings existiert ein dschihadistischer Flügel mit Verbindungen zur islamistischen Terrorszene.