Korruptionsskandal im brasilianischen Bildungsministerium

Geld, Gold und Bibeln für staatliche Zuwendung

Zwei evangelikale Pastoren sollen auf Geheiß von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro Finanzmittel aus dem Bildungshaushalt an mehrere Städte verteilt haben. Als Gegenleistung forderten sie Geld, Gold und Bibeln.

Autor/in:
Thomas Milz
Antikorruptionsproteste in Brasilien / © Silvia Izquierdo (dpa)
Antikorruptionsproteste in Brasilien / © Silvia Izquierdo ( dpa )

Die Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro war 2019 angetreten, um der grassierenden Korruption in Brasilien ein Ende zu setzen. Doch nun finden sich Bolsonaro und sein Bildungsminister Milton Ribeiro inmitten eines Skandals um öffentliche Bildungsgelder wieder. Evangelikale Pastoren sollen eine Art Schattenkabinett gebildet und ausgehandelt haben, an welche Kommunen Gelder überwiesen werden. Die Evangelikalen bilden Bolsonaros wichtigste Unterstützerbasis für die Wahlen im Oktober.

Auf Bitten des Präsidenten werde er die Städte und Gemeinden bei den Zuteilungen bevorzugen, die mit den Pastoren Gilmar Santos und Arilton Moura handelseinig würden, erklärte Minister Ribeiro in einer internen Sitzung. Am Montag war ein Audiomitschnitt von der Presse veröffentlicht worden. "Meine Priorität ist es, die Kommunen zu bedienen, die es am nötigsten haben - und zweitens alle Freunde von Pastor Gilmar", sagt Ribeiro in dem Mitschnitt.

Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien / © Marcos Correa/Palacio Planalto (dpa)
Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien / © Marcos Correa/Palacio Planalto ( dpa )

Engere Verbindungen zu Bolsonaro

Die beiden evangelikalen Pastoren haben nachweislich seit 2019 engere Verbindungen zu Bolsonaro. Seit Januar 2021 sollen sie für Verhandlungen mit den Kommunen über Mittelzuteilungen verantwortlich sein, obwohl sie keine offiziellen Posten im Ministerium oder in der Regierung bekleiden. Bei offiziellen Terminen mit Bolsonaro waren sie ebenfalls anwesend, ohne auf der Gästeliste zu stehen.

Bei den Mittelzuteilungen soll es sich um Gelder für Schulen, Sportanlagen und Kindergärten handeln. Sie würden im Austausch für Zusicherungen verteilt, dass die Kommunen evangelikale Kirchen bei Bauprojekten unterstützen, so Ribeiro in besagter Aufzeichnung. Laut Zeugenaussagen sollen die beiden Pastoren Geschäfte mit den Kommunen in einem Hotel in der Hauptstadt Brasilia ausgehandelt haben. Etliche Bürgermeister seien in Ribeiros eigenem Apartment empfangen worden.

Mehrere Fälle aufgedeckt

Im Januar stellte Bürgermeister Calvet Filho aus der nordöstlichen Stadt Rosario ein Video ins Internet, das er in Ribeiros Wohnung aufgenommen hatte. Darin verweist er darauf, dass auch Minister Ribeiro ein Pastor ist. "Milton Ribeiro ist ein evangelikaler Pastor, und er ist ein Freund anderer Pastoren. Dank dieser Freunde sind wir jetzt hier." Er habe Gelder für fünf Einrichtungen zugesagt bekommen, so Filho. Nach den Regeln des Ministeriums müssen solche Gelder eigentlich durch Experten der Behörde begutachtet und freigegeben werden.

Kirche in Brasilien

Mit geschätzt rund 125 Millionen Katholiken (nach offiziellen Taufzahlen des Vatikan 171 Millionen) ist Brasilien das größte katholisch geprägte Land der Welt. Angesichts enormer sozialer Gegensätze ist das Engagement der Kirche für Arme und Entrechtete weithin anerkannt; Brasilien ist einer der Ausgangspunkte der sogenannten Theologie der Befreiung. Zugleich macht der katholischen Kirche eine wachsende Zahl protestantischer und evangelikaler Kirchen und Sekten ihre Rolle streitig.

Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa (dpa)
Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa ( dpa )

Die brasilianische Presse hat mittlerweile eine ganze Reihe von Fällen aufgedeckt, in denen Pastoren über die Behördengelder verhandelt haben. Dabei sollen sie auch mit einem Regierungsflugzeug zu den Treffen gereist sein. Gegenüber der Zeitung "O Globo" gaben zwei Bürgermeister an, dass sie den Pastoren Schmiergelder in Höhe von umgerechnet 3.000 bis 8.000 Euro gezahlt hätten, um an Zuteilungen zu gelangen. Auch hätten sie für die Pastoren Bibeln kaufen müssen. Die Zeitung "Estado" berichtet von einem Fall, in dem die Pastoren von einem Bürgermeister angeblich ein Kilo Gold verlangten.

Heikler Fall für Bolsonaro

Ribeiro hat derweil in mehreren Interviews die im Audiomitschnitt belegte Aussage bestritten, dass er auf Bitten Bolsonaros gehandelt habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beim Obersten Gericht die Aufnahme von Ermittlungen gegen den Minister beantragt, unter anderem wegen Korruption. Sollte das Gericht seine Immunität aufheben, hat die Bundespolizei 60 Tage Zeit für Ermittlungen.

Für den Präsidenten ist der Fall heikel. Zum einen war er 2019 als Saubermann angetreten, um die Korruption linker Vorgängerregierungen zu beenden. Zum anderen gehören die Evangelikalen, die rund 30 Prozent der Bevölkerung stellen, zu seinen treuesten Anhängern. Bolsonaros Frau ist bekennende Evangelikale, und der Katholik selbst hatte sich 2016 von einem evangelikalen Pastor im Jordan ein zweites Mal taufen lassen.

Politiker der evangelikalen Fraktion im Kongress fordern bereits Ribeiros Entlassung. Er sei nicht mehr haltbar. Doch der Regierungschef spricht seinem Minister das Vertrauen aus. Vorerst zumindest. Bolsonaro hatte Ribeiro im Juli 2020 zum Minister gemacht, um die evangelikale Basis zu bedienen. Ribeiro steht als Pastor einer presbyterianischen Kirche vor. Im Mai 2021 war er in die Schlagzeilen geraten, weil er in illegale Machenschaften einer presbyterianische Privatuniversität verwickelt gewesen sein soll.

Quelle:
KNA