Krankenhausseelsorgerin sieht Überlastung in Krankenhäusern

"Seelsorge ist Vermittlungsarbeit"

Während die Corona-Maßnahmen weitestgehend aufgehoben sind, steigen die Infektionszahlen. In den Kliniken fällt deswegen zunehmend Fachpersonal aus. Wie gehen die Menschen damit um und wie sehr belastet die aktuelle Situation?

Pflegepersonal im Krankenhaus / © Rob Engelaar/ANP (dpa)
Pflegepersonal im Krankenhaus / © Rob Engelaar/ANP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir hören, dass die Situation in den Krankenhäusern angespannt ist. Wie sieht das denn im Moment bei Ihnen in Holweide aus?

Barbara Reible (Pastoralreferentin und Krankenhausseelsorgerin in Köln-Holweide): Es bleibt nicht aus, dass aufgrund von fehlendem Personal zeitweilig auch immer wieder Betten oder Stationen zum Teil geschlossen werden müssen, um eine verantwortungsvolle Pflege sicherzustellen. Und dabei betrifft das Fehlen von Personal sowohl Pflegepersonal als auch den ärztlichen Bereich.

Barbara Reible (privat)

DOMRADIO.DE: Also Sie sagen im Prinzip, es sind gar nicht die hohen Fallzahlen, sondern es fehlen einfach die Leute, die sich um die Erkrankten kümmern können?

Reible: Beides. Wobei auch noch mal zu gucken ist. Es gibt natürlich auch Patienten, die jetzt mit akuten Erkrankungen kommen und Covid haben, dann aber unter der akuten Erkrankung erst mal laufen. Es gibt auch Fälle von Covid, im Moment aber eher milder. Es gibt auch noch Plätze auf Intensivstationen, aber das ist eine Momentaufnahme. Mein Eindruck ist, dass es im Moment einfach zunimmt und steigt und ich bin mal gespannt, wie es weitergehen wird. Nur hier ist die Anspannung aufgrund der langen Zeit der Pandemie, auch der Leute, die hier wirklich durchgehalten haben und trotz Impfung Erkrankungen haben, immer wieder auch ein Überraschungsei, wo keiner genau sagen kann, wo es hin geht. Die Zugänge für Besucher sind nach wie vor beschränkt, nur mit einem negativen Test. Dementsprechend gibt es auch Beschränkungen der Besucher.

DOMRADIO.DE: Sie ärgern sich auch immer wieder über die Medien. Warum?

Reible: Speziell was das Krankenhaus angeht, gibt es in den Zeitungen eine Darstellung, die auch dazu geführt hat, dass Patienten, Ärzte und auch das Personal verunsichert werden, weil immer der Eindruck erweckt wird, dass bald geschlossen wird oder schon fast geschlossen ist. Auch ich bin gefragt worden: Hast du denn noch einen Arbeitsplatz? Das wird auf Dauer nicht kommen. Es ist eine Umgestaltung da, das ist richtig. Aber wenn durch die Medien so ein Bild geschildert wird, hat das ausgesprochen negative Folgen. Und das ist einfach auch für den Gesamteindruck echt mies, weil hier immer noch sehr, sehr gute Arbeit geleistet wird.

DOMRADIO.DE: Also wollen Sie jetzt klarstellen: Holweide bleibt?

Reible: Holweide wird in einer geänderten Form sicherlich auch langfristig überleben. Aber Sie haben ja auch mitbekommen, was es an Fusionsplänen gab mit der Uniklinik und den städtischen Kliniken in der Stadt Köln. Das zieht sich, das dauert. Und das ist nicht morgen zu Ende. Das wird Jahre dauern.

Krankenhausseelsorge

Kranke zu besuchen, Trauernde zu trösten und Sterbenden beizustehen, gehört seit ihren Anfängen zum Kerngeschäft der Kirche. In ihrer Summe sind diese existenziellen Ausnahmesituationen in jedem Krankenhaus anzutreffen. Deshalb arbeiten Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger in Akutkrankenhäusern, in Palliativteams, in Kinderkliniken, in Psychiatrie und Maßregelvollzug sowie in Reha-Zentren, wo sie den Patienten, Angehörigen, aber auch Mitarbeitenden Beistand leisten. Sie tun dies unabhängig von Religions- und Konfessionszugehörigkeiten sowie in ökumenischer Weite und Verbundenheit.

Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture (shutterstock)
Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie schlägt sich denn dieser Personalmangel in Ihrer Arbeit nieder? Kommen tatsächlich auch mehr Krankenhausmitarbeiter und -mitarbeiterinnen und schütten ihr Herz aus?

Reible: Ja, da ich etwas länger hier bin. Ich glaube, dass diese persönliche Vertrauensbasis auch da sein muss und deswegen kommen doch mehr Mitarbeiter als zuvor und schütten ihr Herz aus, weil es zum Teil private Belastungen sind, die mit den beruflichen Belastungen im Krankenhaus zusammenkommen.

Und viele sagen: Wir haben im Grunde genommen zu wenig Zeit. Dafür sind wir nicht angetreten, wir haben immer noch andere Vorstellungen. Und Seelsorge ist dann manchmal so eine Vermittlungsarbeit oder ein Ratgeber oder zumindest ein offenes Ohr, dass einer wirklich auch ernsthaft zuhören kann und die dementsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nimmt, damit eben nicht nur die innere Emigration da ist.

DOMRADIO.DE: Geht das für Ärzte und Ärztinnen und Pflegerinnen auch?

Reible: Bei Ärzten weniger. Das ist dann eher der Flurfunk oder das Flurgespräch. Oder wenn ich auf der Station war, dass ich mit einem dann auch kurz spreche. Die kommen nicht explizit in das Zimmer zur Seelsorge. Das ist wenig der Fall.

DOMRADIO.DE: Was bringen die denn an ganz konkreten Fragen und Problem mit?

Reible: Eine konkrete Frage ist zum Beispiel: Mein Partner ist corona-krank. Ich müsste mich eigentlich mehr um ihn kümmern. Ich habe hier Überstunden und Überstunden und weiß nicht, was ich machen soll. Oder es kommen Pflegende, die sagen: Wir bräuchten eigentlich dringend Urlaub, aber aufgrund der Personalsituation wissen wir nicht, wie wir es machen sollen, denn wenn ich jetzt gehe, dann habe ich auch das Gefühl, dass ich die Station und Kolleginnen und Kollegen im Stich lasse.

DOMRADIO.DE: Und wie können Sie weiterhelfen?

Reible: Zumindest zu sagen: Ja, ich sehe das wirklich auch so und ich kann es mitnehmen, auch noch mal ins klinische Ethikkomitee. Ich kann versuchen, auch das Qualitätsmanagement oder die Pflegedienstleitung mal anzusprechen, damit eine Unterstützung deutlich wird, dass sie nicht alleine sind. Einen Versuch ist es allemal wert.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR