Dies schreibt er in einem Gastbeitrag in der "Zeit" (Donnerstag). "Wir müssen den Menschen erklären, warum es sich lohnt, sich noch mit der Bibel, mit Jesus zu beschäftigen." Wenn solche Fragen nicht zugelassen würden, lohne alle Reform nicht. "Erst wenn wir uns eingestehen, wie radikal sich die Welt verändert hat, werden wir eine radikale Veränderung unserer Kirche wagen", so der Bischof.
Reformen in der katholischen Kirche
Wilmer, der sich in der Vergangenheit schon häufiger für Reformen in der katholischen Kirche ausgesprochen hatte, verteidigt sich gegen seine Kritiker. "Ich möchte die institutionelle Gestalt der Kirche keineswegs abschaffen, aber ich glaube, sie allein ist nicht so übermäßig bedeutsam", erklärt er. Die hierarchische und episkopale Verfasstheit der Kirche könne und wolle er nicht ändern. "Dennoch lasse ich mir nicht vorwerfen, dass ein Streiten für mehr Partizipation und Synodalität verlogen wäre", so der Bischof. Viel wichtiger als die Frage, ob die römisch-katholische Kirche Verheiratete zu Priestern weihen sollte, sei doch die Frage, was Priestertum heute bedeutet. "Wir müssen weder unsere Kathedralen abreißen noch unsere Reformanstrengungen aufgeben, wenn wir uns stärker auf die Fragen der Transzendenz und der Botschaft besinnen."
Wilmer würdigt die in der Corona-Krise neu entstandenen kirchlichen Angebote, etwa die Übertragung von Online-Gottesdiensten. Zugleich warnt er seine Kirche vor einem "Krisen-Perfektionismus", der blind mache für wirkliche Not. "Manchmal ist unsere kirchliche Professionalität wie ein Gefängnis, das uns abhält vom eigentlichen Weg, den wir uns vorgenommen haben", schreibt der Bischof und fordert: "Wir müssen ausbrechen aus dem Gefängnis einer perfekten Kirche."
Blick auf die Opfer der Pandemie
Während der Pandemie hätten Menschen allein und teils sogar ohne ihre Ehepartner sterben müssen, beklagte der Ordensmann. "Viele Menschen haben unter der Einsamkeit gelitten und tun es noch immer, sie sind daran krank geworden." Es gebe ganz unterschiedliche Opfer der Pandemie. "Wir werden noch viele davon kennenlernen."
Wilmer (59) steht seit September 2018 an der Spitze des Bistums Hildesheim. Zuvor war der gebürtige Emsländer Generaloberer des Dehonianer-Ordens in Rom.