Kritik an Kyrill aus der orthodoxen Kirche in Litauen

Deutliche Worte vom Metropoliten in Vilnius 

Der russische Krieg in der Ukraine fordert auch von den Kirchen eine Reaktion. Metropolit Innokentij Vasiljev von Litauen übt öffentlich Kritik an der Haltung der russisch-orthodoxen Kirche. Doch es gibt auch andere Stimmen.

Autor/in:
Heinz Gstrein
Patriarch Kyrill I. und Wladimir Putin beim Ostergottesdienst 2015 / © Natalia Gileva (KNA)
Patriarch Kyrill I. und Wladimir Putin beim Ostergottesdienst 2015 / © Natalia Gileva ( KNA )

Der Krieg in der Ukraine wird von der Orthodoxie mehrheitlich verurteilt und die Schuld Russland als "Aggressor" zugewiesen. Doch gibt es auch andere Stimmen, die jede Parteinahme vermeiden und allgemein nach "christlicher Gewaltenthaltung" rufen. Hinzu kommen einige orthodoxe Bischöfe aus dem Westen, die Verständnis für Wladimir Putins "Militäraktion" und ihre Billigung durch den Moskauer Patriarchen Kyrill I. zeigen.

Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel indes hat die russische Invasion von Anfang an verurteilt, die Kriegsopfer beider Seiten beklagt, sofortige Feuereinstellung und "Dialog" gefordert. Unterdessen hat als hochrangiges Mitglied des Moskauer Episkopats auch Metropolit Innokentij Vasiljev von Vilnius und Litauen die Haltung der russisch-orthodoxen Kirche kritisiert. Die Position der orthodoxen Kirche in Litauen sei unabänderlich: "Wir verurteilen mit Bestimmtheit den Krieg Russlands gegen die Ukraine und bitten Gott um sein rasches Ende."

"Litauen ist nicht Russland"

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )

Auf der russischen Website der "Orthodoxen Kirche in Litauen" wurde der 75 Jahre alte Oberhirte jüngst deutlich: "Wie ihr gewiss bemerkt habt, vertreten Patriarch Kyrill und ich unterschiedliche politische Überzeugungen und Einschätzungen der aktuellen Ereignisse." Er wolle offen aussprechen, "dass wir, die litauischen Orthodoxen, heute imstande sind, unsere inneren Angelegenheiten selbstständig zu lösen". Abschließend hebt er hervor: "Wir leben in einem freien und demokratischen Land. Litauen ist nicht Russland! Wir sind ein völlig anderer Staat, eine ganz andere Gesellschaft mit ihrem eigenen spirituellen und moralischen Klima."

Der Metropolit ist einer der angesehensten, doch von zentralen Führungspositionen stets ferngehaltenen russischen Bischöfe. Der Geistliche aus dem Ort Stara Russa bei Nowgorod konnte es erst nach dem Ende des Kommunismus zum Bischof in Russlands Fernem Osten bringen. Ein Zwischenspiel am kirchlichen Außenamt in Moskau war nur von kurzer Dauer.

Stimme mit großen Gewicht

Nach einer Rückversetzung hinter den sibirischen Baikalsee wurde Vasiljev 2002 als westeuropäischer Erzbischof von "Korsun" nach Paris entsandt. In den folgenden acht Jahren erwarb er sich dort den Ruf eines frommen, gütigen und ökumenisch offenen Oberhirten. 2010 berief Moskau Vasiljev als Erzbischof, später Metropoliten nach Vilnius. Zwar zählt das heutige Litauen nur mehr wenige tausend Orthodoxe, doch umfasste seine Metropolie früher das ganze heutige Belarus und Teile der Ukraine. Dort hat seine Stimme wie die seines Vorgängers Chrysostomos Martyschkin großes Gewicht behalten.

Im Unterschied zu solchen Stimmen sind andere bemüht, sich in Sachen Ukraine vorsichtig zu äußern. So der 93 Jahre alte albanische Erzbischof Anastas, der sich schon im Streit um die ukrainische Kirchen-Autokephalie ausweichend positioniert hatte. In einer Predigt am "Sonntag der Orthodoxie" in der Auferstehungskathedrale von Tirana forderte er eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen in der Ukraine, ohne klarzumachen, ob sich sein Appell an die russischen Angreifer oder die ukrainischen Verteidiger richtet.

"Eintracht schnellstens wiederherstellen"

Sein Vorschlag, "die Eintracht zwischen den Orthodoxen schnellstens wiederherzustellen, sich für Frieden, Versöhnung und internationale Solidarität einzusetzen", klang nach den Resolutionen einstiger Prager Friedenskonferenzen. Zuhörer wiesen später darauf hin, dass noch immer Kirchenoberhäupter in der Orthodoxie aus den Reihen der kommunistisch verordneten "Friedenspriester" stammten und von deren Ideologie nachhaltig geprägt seien.

Das betrifft eine bis heute antiwestliche und speziell amerikafeindliche Einstellung. Sie kommt in der Predigt zum Ausdruck, die Abt-Metropolit Nikephoros Kykkotis ebenfalls am "Sonntag der Orthodoxie" in Zyperns Hauptstadt Nikosia hielt. Er machte die "westlichen und Nato-Mächte" mitverantwortlich für die heutige Krise in der Ukraine. In der Prokopios-Kirche seiner Abtei Kykkou verglich er die Haltung der "Westler" zum türkischen Überfall auf Zypern 1974 mit der heutigen Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine: "Heute schöpfen sie mit galliger Schadenfreude ihr ganzes Arsenal an tödlichen Wirtschaftssanktionen gegen das russische Volk aus." Im Falle Zyperns hätten sie hingegen wie Pilatus zugeschaut und geschwiegen.

Quelle:
KNA