VdK-Präsidentin Ulrike Mascher sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Bundesregierung macht nur halbe Sachen - zu Lasten von Menschen mit Behinderungen, die in Deutschland auch künftig auf zahllose Barrieren stoßen werden."
Die neuen Regeln gelten nach den Worten von Mascher nur für öffentliche Gebäude und Ämter. "Sie gelten aber nicht für den kompletten privaten Bereich, also etwa für Gaststätten, Hotels, Supermärkte oder Arztpraxen." Da setze die Bundesregierung nur auf freiwillige Vereinbarungen. Es gebe offensichtlich eine mächtige Lobby, "die stärker ist als die Sozialverbände".
Freie Arztwahl wegen Barrierehemmnis nicht möglich
Die VdK-Präsidentin befürchtet, dass weiterhin viele Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung wichtige Dienste und Angebote nicht nutzen können. Mascher: "Es gibt einen Klassiker - unten ist die Apotheke, im ersten Stock ist der Arzt, und es ist kein Lift da. Von der viel beschworenen freien Arztwahl kann da ja wohl keine Rede sein. Solche Beispiele gibt es leider viele Tausend Male in Deutschland." Selbst manche Altenheime seien nicht barrierefrei.
Mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetztes verpflichtet sich der Bund in den Bereichen seiner Zuständigkeit, die Barrierefreiheit zu verbessern. Unter anderem sollen Lücken im Recht der barrierefreien Kommunikation für Menschen mit geistigen Behinderungen geschlossen werden. Es soll zudem ein Schlichtungsverfahren eingeführt werden, das künftig Verbandsklagen, die sich gegen Träger öffentlicher Gewalt richten, vorgeschaltet ist und daneben auch für Einzelpersonen zur Verfügung stehen soll.
Aktivisten protestieren vor Bundestag
Der Behinderten-Aktivist Raúl Krauthausen hat die Politik der großen Koalition zur Umsetzung der Behindertenrechte in Deutschland als "richtigen Murks" kritisiert. Das einzig Positive an den gegenwärtigen Gesetzesvorhaben sei, dass öffentlich über die Lage behinderter Menschen debattiert werde, sagte er am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Krauthausen demonstriert mit einer Gruppe von Aktivisten seit Mittwoch am Bundestag gegen die aus ihrer Sicht unzureichenden Reformen im Behindertenrecht.
Das neue Bundesteilhabegesetz, dessen Verabschiedung ebenfalls für dieses Jahr geplant ist, soll die finanzielle Lage behinderter Menschen verbessern und deren Autonomie stärken.
Die Aktivisten hatten die ganze Nacht protestierend am Bundestag verbracht. "Wenn man demonstriert, dann muss man auch wach sein", sagte Krauthausen. "Wir wollen mit dieser Aktion zeigen, dass wir uns von der Politik nicht länger einlullen lassen." Zwar würden die Selbsthilfeverbände und Interessenvertretungen im Vorfeld der Gesetzgebung einbezogen, doch am Ende werde "gegen uns entschieden", kritisierte Krauthausen: "Das funktioniert so nicht mehr."