Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück ist wie seine Amtsbrüder in Deutschland von einem Schreiben aus dem Vatikan überrascht worden, wie er sagt. Darin geht es auch um den Einsatz von Laien als Gemeindeleiter. Der Bischof will von seiner Praxis nicht abrücken.
Fünf Frauen und Männer sind im Bistum Osnabrück bereits als Laien in der Gemeindeleitung eingesetzt, sieben Kirchengemeinden sind davon berührt. Der Bischof hat sie im Verlaufe der vergangenen Monate zu "Pfarrbeauftragten" gemacht und sich dabei auf einen Absatz im Kirchenrecht berufen, das diese Praxis für Notsituationen erlaubt. Das Schreiben aus dem Vatikan stellt dies jetzt infrage. Er befürchte jedoch, dass "diese Not bei uns an so manchen Stellen permanent existieren wird", so der Bischof in einer auf der Bistumsseite veröffentlichten Stellungnahme.
Der Bischof befürchtet, dass die Instruktion "eine so starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien ist, dass ich große Sorge habe, wie wir unter solchen Bedingungen neue engagierte Christen finden sollen und wie wir unsere pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin gut begleiten und fördern können". Umso notwendiger sei der "Synodale Weg", bei dem es gerade um die Frage einer Kirche der Beteiligung gehe.
Der Moderator des Priesterrates im Bistum Osnabrück, Propst Bernhard Stecker aus Bremen, hat den Bischof ermutigt, bei den Formen der Gemeindeleitung den bisherigen pastoralen Weg im Bistum weiterzugehen. Er sprach sich für eine differenzierte Betrachtung des Papiers aus. Die Instruktion liefere eine treffende Beschreibung der Situation, wenn sie etwa darauf hinweise, dass Pfarreien die Impulse der Zeit aufnehmen müssten, so Stecker. Jedoch werde ein zu sehr auf die Pfarrer zentriertes Kirchenbild gezeichnet. Zudem würden die Vorgaben zum Teil der realen Situation nicht gerecht.
"Viele Priester wünschen sich auch eine Entlastung in Verwaltungs- und Leitungsaufgaben, um mehr Zeit für Seelsorge und Glaubensweitergabe zu haben", erklärte Stecker. Es drohe eine Überlastung der Priester, wenn sie für alles zuständig und kompetent sein müssten. Die Arbeit im Team und eine Delegation von Aufgaben sei kein Nachteil, sondern vielmehr eine Chance gerade für eine missionarische Erneuerung der Pfarreien.
ZdK-Präsident Sternberg übt Kritik
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erklärte hingegen am Dienstag in einem Interview mit DOMRADIO.DE, die Instruktion verfehle die Realität der katholischen Kirche in Deutschland. "Wenn da zum Beispiel steht - auch jetzt in diesem Papier wieder -, dass alle Gremien reine Beratungs- und Hilfsgremien sind, die den Pfarrer, der da als Hirte idealisiert wird, unterstützen und beraten sollen, dann geht das insofern an der Realität vorbei, als wir etwa in Deutschland staatskirchenrechtlich geregelt haben, dass die Kirchenvorstände und Vermögensverwaltungsräte Mitbestimmungsgremien sind. Die sind Entscheidungsgremien, keine Beratergremien."
"In den ersten fünf Kapiteln geht es um die Frage von neuen Herausforderungen. Da kann man sehr viel Vernünftiges lesen. Das ist gar nicht so schlecht. Dann gibt es etwas zu der Frage der allzu großflächigen Pfarreizusammenlegung. Auch da finde ich sehr viel Bemerkenswertes: Dass man auf den Einzelfall jeweils gucken muss, dass man das nicht so pauschal machen kann, ist alles durchaus nachvollziehbar. Aber wenn es dann um die Ämter und um die Laien geht, dann denke ich: Was ist das für ein merkwürdiges Bild? Als wenn die Laien jetzt hier in die Verantwortung und in die liturgischen Dienste drängen würden. Das ist ja keinesfalls der Fall", so Sternberg.
Theologe Biesinger spricht von einem "Beitrag zur Selbstzerstörung"
Der Tübinger Theologe Albert Biesinger hält das vatikanische Dokument indes mit Blick auf die Zukunft der Kirche für gefährlich. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er, es sei "arrogant, ohne vorherige breite Konsultationen mit den Bischofskonferenzen weltweit über Perspektiven der Gemeindeentwicklung Vorgaben machen zu wollen".
Nach dem am Montag veröffentlichten Schreiben bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen stärkt der Text die Rolle des Pfarrers. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten und anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht die Instruktion direkt. Laien wird weiterhin die Predigt in Messfeiern untersagt.
Biesinger sieht in dem Papier einen "Beitrag zur Selbstzerstörung". Der Wissenschaftler rief die deutschsprachigen Bischöfe auf, im Sinne "der von Papst Franziskus betonten Synodalität diesem Treiben Einhalt zu gebieten". Eine rasche Überarbeitung dieser Instruktion sei unausweichlich.
Theologe Zulehner sieht nachdenkenswerte Passagen
Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner erklärte, einige Aussagen verdienten durchaus weiteres Nachdenken. Über andere "sollte man den Mantel des befremdlichen Schweigens hüllen", sagte er laut Presseagentur Kathpress. In wichtigen Punkten hinke das Dokument weit hinter der Entwicklung in vielen Ortskirchen her.
Die Deutsche Bischofskonferenz will nach Auskunft ihres Sprechers das Dokument sorgfältig studieren und beim nächsten Treffen der Diözesanbischöfe erörtern.
Münsters Seelsorge-Chefin sieht kein Problem mit Vatikan-Papier
Die Seelsorge-Chefin im Bistum Münster sieht unterdessen neue Leitungsmodelle in ihrer Diözese im Einklang mit einer überraschend erschienenen Instruktion aus dem Vatikan. "Die Instruktion beschreibt an verschiedenen Stellen, dass es eine gemeinsame Verantwortung aller gibt - Kleriker und so genannter Laien", erklärte die Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge im Generalvikariat, Maria Bubenitschek, dem Online-Portal kirche-und-leben.de aus Münster. Das Dokument weise jedoch darauf hin, vorsichtig mit dem Begriff "Leitung" umzugehen.
Dieser sei dem Pfarrer vorbehalten. "Möglicherweise bedeutet das für uns im Bistum Münster in der Konsequenz, dass wir den Begriff Leitung durch andere Worte ersetzen, die genau das beschreiben, was gemeint ist."
Am 9. Juli hatte erstmals im Bistum Münster ein Laie die pastorale Leitung einer Pfarrei übernommen. Pastoralreferent Werner Heckmann sei gemeinsam mit Pater Hans-Michael Hürter für die Pfarrei Sankt Georg im münsterländischen Saerbeck zuständig, wie ein Sprecher zur Amtseinführung erklärte. "Pfarrverwalter und somit Leiter der Pfarrei ist mit Pater Hans-Michael Hürter ein Priester", stellte nun Bubenitschek klar. "Diese Form der geteilten Verantwortung entspricht somit den Vorgaben der Instruktion und dem Kirchenrecht."
Die Seelsorgeamtsleiterin zeigte sich gleichzeitig überzeugt davon, "dass pfarrliches Leben nicht ausschließlich vom leitenden Pfarrer abhängt und abhängen kann." Das werde auch in der Instruktion zum Ausdruck gebracht. Sie stimmte dem Schreiben zu, dass traditionelle Strukturen unter missionarischem Gesichtspunkt zu erneuern seien.
Diese Umkehr schließe "alle Glieder des Volkes Gottes" ein. Das Vatikan-Schreiben untersagt Laien zudem weiterhin die Predigt in Messfeiern, was Bubenitschek bedauerte. "In vielen Bistümern ist das mittlerweile Tradition und ich bin mir nicht sicher, ob davon wieder Abstand genommen wird", sagte sie.
Kohlgraf: Sorge um Engagierte und Priester
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat die neue Vatikan-Instruktion scharf kritisiert. In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme schreibt Kohlgraf, er könne diesen "Eingriff" in sein bischöfliches Amt "nicht so einfach hinnehmen".
Kohlgraf (53), der Pastoraltheologe ist, betonte, nach dem römischen Schreiben sorge er sich "um die vielen (noch) Engagierten". Er sagte: "Bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird." Er höre, "dass zunehmend keine Motivation mehr herrscht, in einer Kirche mitzumachen, die so auftritt."
Außerdem sorge er sich um die Priester seines Bistums, so der Bischof. "Schon jetzt können wir vakante Stellen nicht besetzen. Viele Priester klagen über Überforderung im Blick auf Verwaltung und Bürokratie." Gerade dies solle aber der römischen Instruktion zufolge bei den Pfarrern bleiben. "Die von uns geplanten Verwaltungsleiter sind nach den römischen Vorstellungen wohl nicht genehm."
In Zukunft könne es deshalb sein, dass sich Pfarrer als Vorsitzende aller Gremien in den jetzigen Strukturen "zu Tode tagen" würden. "Ist das wirklich gewollt?", fragte Kohlgraf. Es scheine ihm auch "widersinnig, jede Zusammenlegung von Pfarreien als Einzelfälle in Rom genehmigen zu lassen".
Lob von Kardinal Woelki
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki dagegen lobte die Instruktion. "Ich bin dankbar, dass uns Papst Franziskus mit dieser Handreichung den Weg weist." Das Dokument enthalte viele Anregungen für einen missionarischen Aufbruch der Kirche. "Zugleich ruft es uns Grundwahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung, die wir gerade in Deutschland vielleicht manchmal aus dem Blick verlieren, wenn wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind."
Woelki erklärte: "Nicht wir machen Kirche, und es ist auch nicht unsere Kirche, sondern die Kirche Jesu Christi." Dieser habe die Kirche gestiftet und mit ihr die Sakramente und das besondere Priestertum. "Papst Franziskus rückt hier einiges zurecht, aber nicht als Maßregelung oder Disziplinierung, sondern als Ermutigung, ganz auf Christus zu setzen, um wieder eine missionarische Kirche zu werden."