Künstlerseelsorger sind gefragter denn je

Wenn die Selbstzweifel plagen

Als Ben Becker im Oktober in Berlin sein Hörbuch "Die Bibel" vorstellte, hatte er einen besonderen Gast im schwarzen Ordenskleid dabei: einen Künstlerseelsorger, zu dem Becker seit seinem Zusammenbruch Kontakt hatte. Der Schauspieler ist nicht der einzige, der die Künstlerseelsorge der Kirche in Anspruch nimmt: "Es kommen immer mehr Menschen", sagt Pater Thomas Astan vom Erzbistum Berlin. "Die Zeiten, in denen man über Glauben nicht mehr spricht, sind vorbei."

 (DR)

Künstler aller Sparten
Zu Pater Astan finden Künstler aller Sparten: Maler, Musiker, Schauspieler, Literaten, Bildhauer. Finanzielle Sorgen wegen mangelnder Aufträge oder Verkäufe haben sie dabei selten. Der Hauptgrund, warum sie das Gespräch mit dem katholischen Pater suchen, ist nach dessen Worten, "dass man draußen nicht verstanden wird". Die Künstler hinterfragten sich und ihr Können und würden oft von Selbstzweifeln geplagt. "Künstler sind in einer besonderen Situation. Sie sind sensibler und müssen sich an jemanden wenden können, der ihre Sprache versteht", sagt er.

Pater Astan diskutiert nicht nur mit den Ratsuchenden, sondern besucht mit ihnen gemeinsam auch Museen und Ausstellungen. Die Botschaften der Bilder weckten oftmals Emotionen und es ergäben sich Gespräche, sagt er. Der Geistliche kann aber auch mit praktischer Hilfe dienen: So hat er beispielsweise auch Kontakte zu Galerien und versucht, Künstlern Türen zu öffnen, damit diese ausstellen können. Dabei müssen die Künstler nicht zwangsläufig auch zum Glauben finden.

Astan kommt aus der Schauspielbranche
Bei seiner Arbeit hilft dem Salesianer sein eigener künstlerischer Hintergrund: Astan kommt aus der Schauspielbranche. Von 1967 bis 1991 spielte er in deutschen Fernsehfilmen und -serien mit, unter anderem in "Derrick" und "Tatort". Er war Regisseur an verschiedenen Theatern etwa in Graz, Wien, Wiesbaden, Hamburg, Hannover und Berlin. Zudem studierte er Germanistik, Theaterwissenschaften, Psychologie und Kunstgeschichte. Durch das, was er jetzt schlicht "einen langen Prozess" nennt, folgte ein Theologiestudium in Rom. 1996 wurde Astan zum katholischen Priester geweiht. Drei Jahre später wurde er Künstlerseelsorger in Berlin.

Der Kulturreferent der Deutschen Bischofskonferenz, Jakob Johannes Koch, sagt: "Wir haben leider viel zu wenig Künstlerseelsorger." In ganz Deutschland gebe es nur sechs: in Berlin, Bamberg, Hildesheim, Köln, München und Passau. Grund: Es ist nicht einfach, geeignete Geistliche für den Posten zu finden. Diese müssen einen engen Bezug zur Kunst haben, und es gibt nur wenige Theologen, die aus einem künstlerischen Kontext kommen. "Quereinsteiger wie Pater Astan sind wünschenswert", sagt Koch.

In Zukunft sieht der Kulturreferent einen weiter steigenden Bedarf an Künstlerseelsorgern. Während die weltliche Kunst den Kontakt mit der Kirche lange Jahre gescheut habe, habe sich dies seit Ende der 90er Jahre geändert. "Es gibt wieder eine Annäherung, junge Künstler haben überhaupt keine Berührungsängste", sagt Koch. Die deutschen Bischöfe hätten sich des Themas bereits angenommen und beschlossen, Seelsorge und Kunst künftig mehr zu vernetzen.

Die Seelsorge steht bei der EKD nicht im Vordergrund
In der Evangelischen Kirche gibt es statt Künstlerseelsorgern Kunst- und Kulturbeauftragte, die aber auch seelsorgerisch tätig sind. Dieser Posten sei jedoch "nicht in allen evangelischen Landeskirchen selbstverständlich", sagt der Kunstbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Reinhard Lambert Auer, der auch Sprecher der Konsultation der Kunst- und Kulturbeauftragten in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Ihm zufolge gibt es offizielle Kunstbeauftragte in Stuttgart, Berlin, Frankfurt am Main, Villigst, Dresden und Hannover und zudem einige Stellen, wo die Aufgabe mit übernommen wird.

Die Seelsorge steht bei der EKD dabei nicht im Vordergrund. Auer pflegt persönliche Kontakte zur örtlichen Kulturszene und berät Gemeinden bei Kunstprojekten und kulturellen Veranstaltungen. "Die Wichtigkeit des Themas Kirche und Kultur und die Bedeutung der Kontakte zur Kunst werden gesehen", sagt Auer. "Da kann man nicht vorbei." Die EKD habe 2006 mit Petra Bahr eigens eine Kulturbeauftragte benannt. Nun gehe es darum, dass es eine solche Stelle irgendwann auch in jeder Landeskirche und Diözese gebe.


Von Nadine Emmerich (ddp)