Kurschus bedauert Nein zur Frauenweihe bei Katholiken

"Mir leuchtet es nicht ein"

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland bedauert, dass die katholische Kirche eine Priesterweihe von Frauen ausschließt. In einem Interview erklärt sie zudem, warum sie nicht an den Ostermärschen teilnehmen werde.

Das Netzwerk Diakonat der Frau fordert seit langem die Diakoninnenweihe für Frauen / © Harald Oppitz (KNA)
Das Netzwerk Diakonat der Frau fordert seit langem die Diakoninnenweihe für Frauen / © Harald Oppitz ( KNA )

Annette Kurschus sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung""(Samstag), man sei "erfreulich offen im Gespräch miteinander" und teile eine "gemeinsame Verantwortung als Christen in der immer komplexer werdenden Welt". Die EKD-Ratsvorsitzende fügte hinzu: "Da wachsen Nähe und Vertrauen."

Annette Kurschus engagiert sich für Klimagerechtigkeit bei bundesweiten Kampagne der evangelischen Kirche (EKD)
Annette Kurschus engagiert sich für Klimagerechtigkeit bei bundesweiten Kampagne der evangelischen Kirche / ( EKD )

Zugleich erklärte Kurschus: "Mir leuchtet nicht ein und es schmerzt mich regelrecht, dass die katholische Kirche keine Frauen zu Priesterinnen weiht." Sie nehme wahr, dass die katholische Kirche "keine wirkliche Partizipation in der Leitung praktiziert. Auch auf dem Weg zu einer gegenseitigen Einladung zum Abendmahl sind wir noch nicht eins."

Andere Art der Friedensbekundung

Kurschus will in diesem Jahr nicht an Ostermärschen teilnehmen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte sie: "Ich habe eine andere Art, meine Sehnsucht nach Frieden auf die Straße zu bringen. Ich feiere Gottesdienste und werde Gott meine Klagen und Bitten und Hoffnungen ans Herz legen."

Sie unterstütze jedoch die Teilnehmer der Märsche, die für den Frieden demonstrieren, fügte Kurschus hinzu. "Der laute Ruf nach Frieden darf nicht verstummen." Von den Veranstaltern erwarte sie allerdings, dass diese Rechtspopulisten und Extremisten "kein Podium bieten, ihnen kein Rederecht geben und reagieren, wenn sie zum Beispiel Flaggen mit einem Z sehen sollten".

Kurschus ergänzte, "der Ruf nach Verhandlungen darf zu keinem Zeitpunkt als naiv abgetan werden". Menschen, die zu Ostern für den Frieden auf die Straße gingen, wollten keinen Krieg gewinnen, sondern den Frieden. "Ohne Gespräche, ohne Verhandlungen kann kein Friede werden", sagte die Ratsvorsitzende. "Es müssen allerdings Verhandlungen "auf Augenhöhe" sein. Und solche Verhandlungen lassen sich nur mühsam herbei verhandeln".

Ostermärsche der Friedensbewegung 2023

Bei den sogenannten Ostermärschen gehen zahlreiche Menschen in mehreren Städten Deutschlands für Frieden und Abrüstung auf die Straße. Der Karsamstag bildet den Schwerpunkt der diesjährigen Aktivitäten der Friedensbewegung zu Ostern. Die Veranstalter erwarten eine rege Beteiligung. Ein zentrales Thema ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative, das die Informationen zu den Aktionen bündelt, verliefen die ersten Ostermärsche am Gründonnerstag und am Karfreitag erfolgreich.

Anhänger der Friedensbewegung ziehen beim Ostermarsch durch München / © Matthias Balk (dpa)
Anhänger der Friedensbewegung ziehen beim Ostermarsch durch München / © Matthias Balk ( dpa )

"In der Spur Jesu bleiben"

Während die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann weiterhin einen Waffenstillstand in der Ukraine fordert, verteidigt die amtierende Vorsitzende Kurschus die unterschiedlichen Positionen in der Kirche. "Es gehörte immer zum Selbstverständnis der Protestanten, anderen nicht sagen zu wollen, was falsch und richtig ist. Wir sind keine Agentur christlicher Werte."

Angeblich christliche Werte könne man "ausnutzen und anderen um die Ohren hauen". Dasselbe gelte für aus dem Zusammenhang gerissene Bibelzitate. "Das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist, in der Spur Jesu zu bleiben", sagte Kurschus. "Das ist in den seltensten Fällen so eindeutig, dass sich daraus ganz klare Handlungsanweisungen ableiten lassen. Mit Handlungsrezepten können wir nicht dienen, wenn wir redlich bleiben wollen." Es gehe immer darum, Leben zu schützen, und um klare Parteinahme für Ausgegrenzte und Untergebutterte. "Aus dieser grundsätzlichen Orientierung kommen Christen zu unterschiedlichen praktischen Folgerungen."

An diesem Wochenende gibt es in rund 100 deutschen Städten wieder Ostermärsche. Die Veranstalter rechnen mit mehreren 10.000 Teilnehmern.

Erschüttert über Gewalt unter Jugendlichen

Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) zeigte sich Kurschus besorgt über Verrohung und zunehmende Gewaltausübung durch Jugendliche. "Das Klima in unserer Gesellschaft verändert sich zunehmend", sagte Kurschus. "Kritik schlägt plötzlich in blanken Hass um, aus verächtlichen Worten wird im Nu eine gewaltsame Tat. Das ist erschreckend."

Eine Herabsetzung der Strafmündigkeit hält sie dagegen nicht für ein geeignetes Mittel. "Hier geht es nicht um das Strafmaß, damit würde man es sich zu einfach machen", sagte die Theologin. "So wird sich das Problem nicht lösen lassen. Hier ist wohl ein tieferes Forschen nach möglichen Ursachen nötig."

Die Zahl der Menschen, die sich nicht genug gesehen, geschätzt und anerkannt fühlten, wachse, ebenso die Zahl derer, die aus diesem Mangel nach Aufmerksamkeit heraus "um sich schlagen und gegen andere hetzen", so die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Streit und Konkurrenz würden auf immer perfidere Weise ausgetragen.

"Besorgniserregendes Phänomen"

Die Verrohung unter Jugendlichen sei "ein besorgniserregendes Phänomen", sagte Kurschus im Hinblick auf Fälle von Gewalt unter Heranwachsenden wie in Freudenberg. "Was mich an diesen Fällen besonders erschüttert, ist, dass es hier offenbar keinerlei natürliche Hemmschwellen gab. Mir ist das unbegreiflich."

Die Suche nach Erklärungen gleiche einem Stochern im Nebel, räumte die EKD-Vorsitzende ein. Sie vermutet aber eine Verbindung zu sozialen Netzwerken. "Die zahllosen Bilder von Grausamkeiten und Gewalt, die immer selbstverständlicher von Jugendlichen konsumiert werden - gerade auch im Netz und über die Social-Media-Kanäle - werden dabei wohl eine Rolle spielen." Gewalt werde alltäglicher. "Das lässt abstumpfen."

Soziale Medien seien "in vieler Hinsicht ein riesiger Gewinn, in mancher sogar ein echter Segen", erklärte Kurschus. Aber sie hätten auch Tücken. Die Theologin appellierte an die Gesellschaft, auf diese Abstumpfung zu reagieren mit "Zuwendung und Aufmerksamkeit und Liebe. Für Kinder und Jugendliche gilt das in besonderem Maße." 

Annette Kurschus

Annette Kurschus wurde am 14. Februar 1963 in Rotenburg an der Fulda geboren und wuchs im hessischen Obersuhl und in Siegen auf. Die Pfarrerstochter studierte in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal Theologie, bevor sie 1989 als Vikarin nach Siegen-Eiserfeld kam.

Annette Kurschus / © Harald Oppitz (KNA)
Annette Kurschus / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA