Vermutlich ist es eine der heikelsten Reisen seines Pontifikats: Ende des Monats kommt Papst Franziskus für zwei Tage nach Kairo - nicht einmal drei Wochen nach dem tödlichen Doppelanschlag auf Kirchen in Ägypten. Unausgesprochen geht es auch um die Frage: Kann islamistischer Terror das relativ entspannte Zusammenleben von Christen und der muslimischen Mehrheit am Nil torpedieren?
Denn gerade dieses Dialog-Feld möchte der Oberhirte aus Rom mit symbolträchtigen Gesten beackern. So besucht er etwa die angesehene islamische Al-Azhar-Universität, spricht mit dem Großimam und lauscht dessen Ansprache auf einer Friedenskonferenz. "Papst des Friedens im Ägypten des Friedens" lautet denn auch das Motto der Reise. Ein frommer Wunsch.
Päpstliches Reiseprogramm ohne Ortsangaben
Nach den blutigen Attentaten auf Christen hat das Auswärtige Amt gerade erst seine Reisewarnung für Ägypten verschärft. "Es besteht landesweit ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge", so die eindringliche Warnung. Vorbei die Zeiten, als das Land der Pyramiden auch für viele Deutsche ein Urlauber- und Taucherparadies war. Nun raten die Sicherheitsleute, größere Menschengruppen "unbedingt" zu meiden - insbesondere vor religiösen Stätten, Institutionen, Universitäten...
Auch im Vatikan wischt man die Bedenken nicht mit leichter Hand vom Tisch. Im offiziellen Reiseprogramm des Papstes stehen mehrere Termine vorsorglich ohne jede Ortsangabe: 10.00 Uhr Heilige Messe, 12.15 Uhr Mittagessen mit Bischöfen. Dass hierbei keine Kirchen, Seminare oder Botschaftsgebäude genannt sind, ist zumindest ungewöhnlich.
Auslandsseelsorger: "Christen besuchen erst recht die Ostermessen"
Wenig beeindruckt von einer mutmaßlich angespannten Sicherheitslage zeigte sich der Seelsorger der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, Pfarrer Msgr. Joachim Schroedel. Im Gespräch mit domradio.de erklärte er, dass natürlich alle Gottesdienste durchgeführt würden. "Die Heilige Messe ist ja schließlich die Message gegen die Gewalt. Das ist die Botschaft schlechthin." Am Mittwoch, so Schroedel, sei er in einigen koptischen Kirchen gewesen, dort habe man ihm berichtet, die Menschen kämen sogar verstärkt in die Heiligen Messen. "Sie kommen voller Inbrunst und beten und haben überhaupt keine Angst. Ganz anders als Sie sich das in Deutschland vorstellen", so der Auslandsseelsorger.
Der Papst setzt auf brüderliche Umarmung
Andererseits: Die IS-Terrormiliz will mit den Anschlägen Unsicherheit verbreiten und das Miteinander der Religionen in ein Gegeneinander verwandeln. Damit dieses Kalkül möglichst nicht aufgeht, hält Franziskus an seinem Reiseprogramm fest, setzt weiterhin auf brüderliche Umarmung. So hat Rom die Reise ausdrücklich bestätigt, auch wenn im Land mittlerweile der Ausnahmezustand gilt. Kairo habe für die Visite am 28. und 29. April bestmögliche Vorbereitung zugesichert, betonte ein hoher Vatikanvertreter im italienischen "Corriere della Sera". Kurienerzbischof Giovanni Angelo Becciu wörtlich: "Wir fahren entspannt."
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schlenderte Anfang des Jahres tiefenentspannt durch die Markus-Kathedrale in Kairo - und lobte die dortige Religionspolitik als "beispielhaft". Doch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und andere Menschenrechtler zeichnen ein düsteres Bild. Sie kritisieren anhaltende Gewalt gegen die christliche Minderheit. Sogar an Feiertagen, sogar während der Gottesdienste. Erst im Dezember kamen bei einem Anschlag auf eine Kairoer Kirche 27 Menschen ums Leben. Das war kurz vor Weihnachten, dann die Attentate an Palmsonntag und nun steht Ostern ins Haus.
Fehlt Muslimen die Milde?
In Ägypten gingen die Polizisten vor Kirchen ihrer Arbeit nicht konsequent genug nach, kritisiert der koptisch-orthodoxe Bischof in Deutschland, Anba Damian. Christen würden "wie Insekten behandelt". Zugleich setzt er auf Bildung und Barmherzigkeit: "Junge Muslime müssen von klein auf Milde lernen, damit sie später nicht den Radikalen folgen."
Rund zehn Prozent der knapp 95 Millionen Ägypter sind Christen, zumeist Mitglieder der koptisch-orthodoxen Kirche. Wie Juden dürfen sie ihren Glauben ausüben und Gotteshäuser bauen - unter strengen Vorschriften. Doch ob im dritten Amtsjahr von Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi Religionsfreiheit herrscht, bleibt umstritten. Zwar bemüht er sich, die Lage für Nicht-Muslime zu verbessern und geht auch bei Trauerfeiern demonstrativ auf Christen zu. Doch die Verfassung von 2014 nennt (bei aller religiösen Freiheit) den Islam als Staatsreligion und die Scharia als Hauptquelle der Rechtsprechung.
Unterdrückte Christen stärken, auf friedvolle Muslime zugehen und islamistischen Terroristen trotzen - für Papst Franziskus dürften die Tage in Kairo alles andere werden als ein Kurzurlaub. Trotz des angenehmen Klimas mit knapp 30 Grad, das ihn in Kairo erwartet.