Laien in Bayern kritisieren Projekt des Erzbistums München

Notnägel und Notlösungen

Es gibt zu wenig Priester - auch deshalb soll die Rolle der Laien in den Kirchengemeinden aufgewertet werden. Das Erzbistum München und Freising startet nun einen Pilotversuch - allerdings sind die dortigen Laien nicht besonders begeistert davon.

Welche Aufgaben sollen Laien übernehmen? (KNA)
Welche Aufgaben sollen Laien übernehmen? / ( KNA )

domradio.de: Wie beurteilen sie das Projekt im Erzbistum München? Da sollen Laien tatsächlich die Gemeindeleitung übernehmen. Da müssten sie doch begeistert sein.

Albert Schmidt (Ehemaliger Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern): Das ist nicht der Fall, dass ich da begeistert bin. Das drückt ja einen ungeheuren Mangel an Priestern aus. Über den Priestermangel kann man sich nicht freuen. Man kann sich ja nicht darüber freuen, wenn Laien gewissermaßen als Notnagel eingesetzt werden. Was das Verhältnis zwischen Laien und Priestern und Inhabern geweihter Ämter generell angeht, müssen wir wissen, dass wir ein gemeinsames Priestertum haben. Das hat das Zweite Vatikanische Konzil festgelegt. Das haben wir auf jeweils unterschiedliche Weise zu leben. Das Münchner Modell, wie es sich jetzt abzeichnet, ist eher eine Notlösung, von der ich hoffe, dass sie nicht auf Dauer bestehen muss, sondern dass es auch wieder junge Männer gibt, die den Priesterberuf so ansprechend finden, dass sie sich dort engagieren. Was mich sehr bedrückt ist, dass gerade in München nur noch ein junger Mann im Jahr 2016 ins Seminar eingetreten ist. Da müssen sich die Verantwortlichen der Diözesanspitze schon selber fragen und fragen lassen, womit denn alles zusammenhängt - womöglich sogar mit ihnen selber.

domradio.de: Sind Sie denn da guter Hoffnung, dass in Zukunft mehr junge Männer Priester werden wollen?

Schmidt: Ich denke schon, dass das möglich ist, wenn wir dem Priesterberuf das zuerkennen, was ihn ausmacht. Nämlich dass es sich hier gleichermaßen um eine transzendente und weltbezogene Tätigkeit handelt. Es ist möglich, wenn es auch eine Atmosphäre in der Kirche gibt, dass man miteinander gut lebt, dass man miteinander gut auskommt, dass man sich respektiert und sich nicht autoritär in einem hierarchischen Missverständnis begegnet.

domradio.de: Können Sie sich denn vorstellen, dass vielleicht in ferner Zukunft das Pflichtzölibat aufgelöst wird?

Schmidt: Das glaube ich nicht. Ich denke, dass man mit der Erfahrung mit dem Zölibat, die man gemacht hat, auch leben kann. Wenn man zum Beispiel das Alleinsein eines Priesters, was ja häufig der Fall ist, eben nicht zur Einsamkeit werden lässt, wenn man Formen des Zusammenlebens findet, in Oratorien beispielsweise. Ich habe Klassenkameraden aus meiner Schulzeit, bei denen ich das erlebt habe. Es ist lebbar und hat auch große Vorteile. Dogma ist es natürlich nicht.

domradio.de: Also Sie denken, wenn die Priester mehr Mitbestimmungsrecht bekämen, dann würden sich auch mehr junge Männer dafür interessieren, Priester zu werden?

Schmidt: Ich glaube schon - wenn ihnen ein Kirchenbild und eine praktische Kirchenerfahrung vermittelt würde, die ansprechend und einladend ist. Wo auch die Hierarchie sich nicht als ein Herrschaftsmechanismus versteht, sondern wo man sich selbst in den Dienst stellt. Ich glaube schon, dass man in einer solchen Gemeinschaft gerne mitmacht.

domradio.de: Also haben Sie im Moment das Gefühl, dass das zu hierarchisch ist, dass da zu viel von den Bischöfen von oben herab kommt.

Schmidt: Nicht generell, aber es gibt einige Exponenten in dieser Richtung. Die soll es auch in Bayern geben.

domradio.de: Was halten Sie von dem Modell der "viri probati", das jetzt viel diskutiert wird, also davon, dass erfahrene verheiratete Männer Priester werden können?

Schmidt: Wenig. Das sind alles Notlösungen. Im Prinzip geht es nämlich darum, damit die Rechte von Laien zu vertreten. Darum geht es hier nicht. Sondern es geht darum, wie am besten der Auftrag des Evangeliums verkündet werden kann. Da gehören sowohl die Dienstämter dazu, wie auch das Apostolat mit alle Getauften und Gefirmten.

domradio.de: Welche Rolle spielen die Frauen in Zukunft in der Kirche?

Schmidt: Nach meiner Vorstellung eine sehr große. Aber es geht auch hier nicht immer um die Behauptung von Rechten gegenüber den Männern. Es geht um das "Sich-zur-Verfügung-stellen" in den Möglichkeiten, die einem gegeben sind.

domradio.de: Die Möglichkeiten sind ja da. Also bräuchte sich die Kirche von ihrem Kirchenrecht, oder von dem was aus Rom kommt, gar nicht so sehr bewegen.

Schmidt: Die Kirche müsste nur evangeliumsgemäßer leben. Das fängt beim Lebensstil von wichtigen Leuten an und hängt ab von deren Verhalten, ihrem Auftreten, ihren Umgangsweisen und dergleichen mehr.

domradio.de: Acht Jahre waren sie als Vorsitzender der Laienvertretung für Bayern tätig. Wie fällt ihre Bilanz aus?

Schmidt: Ich bin seit 25 Jahren im Landeskommittee der Katholiken und war acht Jahre davon Vorsitzender. Es war eine schwierige Zeit. Ich hatte nie gedacht, dass uns die Missbrauchsdebatte so massiv beschäftigen würde. Das hat die Glaubwürdigkeit der Kirche massiv erschüttert. Einige haben gedacht, wenn sie da und dort ein Exempel statuieren und jemanden schnell absetzen, könnten sie damit das Problem lösen. Nein, da muss man schauen, wo die tieferen Ursachen liegen. Das wirft theologische und ekklesiologische Fragen auf, Fragen der Pädagogik. Das ist ein Thema, das mich in diesen acht Jahren massiv beschäftigt hat. Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass man sich da auch mehr gegenseitig geholfen hätte, dass sich auch Bischöfe hätten helfen lassen. Zum Beispiel von dem, was ja auch Laien als ihre ganz praktischen Erfahrungen hätten einbringen können, in der Internatspädagogik und dergleichen mehr.

Dann fiel in diese Zeit auch die große Debatte über das ökonomische Prinzip: Die Finanzkrise und das neoliberale Modell. Da haben wir eine Wertekommunikation dagegen gesetzt.

Und einschneidend war auch der Pontifikatswechsel. Da haben viele gemeint, wer für Ratzinger war, der müsse jetzt gegen Franziskus sein, und umgekehrt, wer für Franziskus ist, der müsse gegen Ratzinger sein. Das sind läppische Verhaltensweisen, dagegen bin ich immer aufgetreten. Ich habe dafür geworben, dass man das eine Pontifikat vom anderen unterscheidet, aber dass man da nicht gewaltsam Gegensätze konstruiert, sondern Verbreiterungen und Ergänzungen.

Es fiel auch in diese Zeit die große Diskussion, wie es in der ganzen Welt weitergeht. Wir haben uns deswegen des Themas Weltgemeinwohl angenommen. Gemeinwohl ist ja nicht nur eine Geschichte der Gemeinde vor Ort, sondern betrifft uns alle. Und der Begriff Weltgemeinwohl müsste eigentlich als katholischer Begriff zutiefst ansprechend sein, er muss nur mit Inhalt weiter gefüllt werden.

domradio.de: Aber insgesamt ist die katholische Kirche da doch auf einem guten Weg. Sie haben die Missbrauchsdebatte angesprochen, da gibt es jetzt sehr viel Aufklärung, sehr viel Offenheit. Die Pädagogik hat sich grundsätzlich geändert, da ist die Kirche auf einem guten Weg. Und mit Franziskus wird die Kirche auch immer populärer. Wir können sehr optimistisch in die Zukunft schauen.

Schmidt: Diese positiven Faktoren sehe ich eindeutig. Aber die Glaubwürdigkeitserschütterung sozusagen von 2010, die ist noch lange nicht weg. Das dauert noch einige Zeit. Aber es gibt in der Tat hoffnungsvolle Signale. Und in der Tat ist auch das, was Papst Franziskus an Kirche auch medial vermittelt, ansprechend.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Kardinal Marx / © Oliver Berg (dpa)
Kardinal Marx / © Oliver Berg ( dpa )
Quelle:
DR