Seit die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) Ende 2019 unter dem Eindruck der Missbrauchskrise gemeinsam das Reformprojekt "Synodaler Weg" starteten, gab es immer wieder warnende Worte aus dem Vatikan.
Papst schrieb persönlich zwei Brief
Der Papst persönlich schrieb zwei Briefe, die deutlich machten, dass ihm die Denkweise des deutschen Reformansatzes nicht passt. Die Schaffung neuer Strukturen und die Änderung von Lehren und Kirchengesetzen wären aus seiner Sicht bestenfalls der zweite Schritt, um aus der gegenwärtigen Kirchenkrise herauszukommen. Er forderte einen Vorrang für die Evangelisierung.
Doch fand er damit im deutschen Reformlager wenig Resonanz. Denn dort gilt nach wie vor die Grundannahme: Ohne eine Änderung ihrer sichtbaren Gestalt und ihrer Gesetze wird die Kirche ihre gesellschaftliche Glaubwürdigkeit nicht zurückgewinnen können. Und wird deshalb auch für ihre Botschaft in Deutschland kaum noch Menschen finden, die diese überhaupt hören oder sich gar nach ihr richten wollen.
Konkreter und detaillierter als die Grundsatz-Kritik des Papstes fielen die diversen mündlichen und schriftlichen Einlassungen der Führungsspitze der römischen Kurie zu den Beschlüssen des Deutschen Synodalen Wegs aus. Sie attackierten unmittelbar die wichtigsten Reform- und Veränderungsbeschlüsse der Frankfurter Synodalversammlungen.
Ortskirchen dürften nicht Fragen entscheiden, die nur auf Ebene der Weltkirche entschieden werden können, so ihr kirchenrechtliches, aber auch dogmatisches Argument. Andernfalls sei die Kirchengemeinschaft gefährdet, hieß es in Briefen aus Rom.
Warnung vor Gründung eines gemischten Leitungsgremiums
Als Themen wurden unter anderem die kirchliche Lehre zur Homosexualität, das den Männern vorbehaltene Priestertum und die hierarchische Verfassung der Kirche und ihres Lehramts genannt. Ein Dauerbrenner in den Mahnungen aus Rom war die Warnung vor der Gründung eines gemischten Leitungsgremiums der katholischen Kirche in Deutschland. Ein solches Organ würde die auf dem Bischofsamt beruhende hierarchische Verfassung der katholischen Kirche aus den Angeln heben.
Die katholische Kirche in Deutschland sei "nicht befugt", ein solches Entscheidungsgremium zu schaffen, hieß es in römischen Schreiben vom Juli 2022 und vom Januar 2023. Die deutschen Reformer gingen ungeachtet der römischen Warnungen weiter und gründeten am 10. und 11. November 2023 in Essen den gemischten "Synodalen Ausschuss". Mit Regeln, die im Ernstfall auch eine Überstimmung der Bischöfe durch die Laien möglich gemacht hätten.
Der damit "konstituierte" Ausschuss bedurfte aber noch der nachträglichen Zustimmung der beiden sie tragenden Körperschaften - auf der einen Seite der deutschen Bischöfe, auf der anderen Seite das ZdK. Letzteres stimmte zu. Doch die erwartete Zustimmung der Bischöfe blieb aus, weil aufgrund des jüngsten Einspruchs aus Rom die Abstimmung bei der Frühjahrsversammlung in Augsburg nun ausgesetzt wurde.
Bekenntnis zur Einheit mit Rom
Das Bekenntnis des Konferenzvorsitzenden Georg Bätzing zur Einheit mit Rom überraschte in seiner Eindeutigkeit, auch wenn es garniert war mit Kritik an der Gesprächsverzögerung der Kurie. Zur Zustimmungsbereitschaft Bätzings gegenüber Rom mag der sehr sachlich gehaltene, kirchenrechtlich argumentierende Ton des jüngsten Briefs aus dem Vatikan ebenso beigetragen haben wie der Kreis der Absender.
Denn erstmals hatten nicht Vertreter der "alten Garde" aus der Ära vor Franziskus unterschrieben, sondern - neben Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin - zwei neue Köpfe, die beide für den weltkirchlichen Reformkurs des Papstes stehen: Kardinal Robert Prevost für das Bischofsdikasterium und Kardinal Victor Fernandez für das Glaubensdikasterium.
Letzterer steht seit zwei Monaten im Dauerfeuer konservativer Bischöfe (auch an der Kurie) und fast des gesamten Episkopats des afrikanischen Kontinents. Er hatte in milderer, abgeschwächter Form etwas empfohlen, was der Synodale Weg in mehreren Debatten und Beschlüssen ebenfalls, und sogar im Sinne einer lehramtlichen Änderung und in Form kirchlicher Rituale, gefordert hatte: den Segen für gleichgeschlechtliche Paare.
Da der Papst persönlich die Empfehlung seines Chefdogmatikers befürwortet hat, steht auch er selbst - zumindest indirekt - im Segnungsstreit in der Kritik. In dieser Situation wäre es für die Spitze in Rom eine zusätzliche schwere Erschütterung gewesen, wenn sich die Deutschen in der konkreten Frage des gemischten Leitungsgremiums für alle Welt sichtbar über drei römische Warnschreiben hinweggesetzt und einfach Fakten geschaffen hätten.
Der Papst und seine Mannen mussten beweisen, dass ihnen bei der Führung der Weltkirche das Heft nicht völlig aus der Hand gleitet und sie doch noch in der Lage sind, eine Teilkirche zur Ordnung zu rufen und die Einhaltung des geltenden Kirchenrechts durchzusetzen.
Interessanterweise forderte bei der Debatte der Bischöfe in Augsburg über den jüngsten Brief aus Rom kein einziger Teilnehmer, das Stoppschild aus Rom zu ignorieren und den Marsch ins rechtsfreie Gelände fortzusetzen.
Eine Art kirchenrechtliches Zombiedasein
Das Ergebnis der "Augsburger Nichtabstimmung" könnte nun in zwei unterschiedlichen Weisen zu Ende gedacht werden: Entweder es geschieht das, was einst der konservative Chef der vatikanischen Bischofsbehörde, Kardinal Marc Ouellet, im großen Streitgespräch der vatikanischen Kurie mit den Deutschen Bischöfe am 18.11.2022 in Rom gefordert hatte: Ein zentrales Reformvorhaben wird ins "Moratorium" geschickt und verharrt gewissermaßen auf dem Abstellgleis.
Oder es gibt jetzt in Deutschland ein nationales kirchliches Gremium, das sich zwar "konstituiert" hat, das aber ohne die nötige Zustimmung seines zweiten Trägers zu einer Art kirchenrechtlichem Zombiedasein verurteilt ist. Es existiert irgendwie, ist also nicht tot, hat aber keine rechtliche Handlungsgrundlage. Insofern ähnelt es dem Synodalen Weg, aus dem es hervorging - nur ohne dessen Aufbruchsdynamik und Breite.
Wie der Synodale Weg ist auch der Ausschuss ein Organ, das nicht gegen das Gesetz, aber doch irgendwie außerhalb des kirchlichen Rechts besteht. Hier könnte die Weltsynode im Oktober Abhilfe schaffen, indem sie derartige Gremien generell als neue Instrumente der synodalen Mitwirkung der Laien anerkennt und entsprechende Änderungen im Kirchenrecht auf den Weg bringt.