"Lange Nacht der Kirchen" in Köln

Hören auf die Stille

25 katholische und evangelische Kirchen in der Kölner Innenstadt beteiligten sich an der "Langen Nacht der Kirchen" und öffneten bis Mitternacht ihre Türen. Die Publikumsresonanz war unterschiedlich.

Lichtinstallation in der Trinitatiskirche / © Beatrice Tomasetti (DR)
Lichtinstallation in der Trinitatiskirche / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Meditative Psalmtexte zur Einstimmung, eine Taizé-Andacht, verhaltene Orgelklänge, Bildbetrachtungen, Lichtinstallationen oder auch Seelsorgegespräche, vor allem aber viel Ruhe und Andacht – das war am gestrigen Abend in vielen Innenstadtkirchen erfahrbar, die sich an der "Langen Nacht der Kirchen" beteiligten.

"Spurensuche im Glauben" anbieten

Wer sich zu später Stunde bei einsetzendem Schneefall in die Innenstadt aufmachte, womöglich noch den Rhein von Deutz bis hinüber in die Altstadt überquerte, dem bot sich in fast allen Gottesdiensträumen dasselbe Bild: ein bis Mitternacht in spärliches Licht getauchter Innenraum und die damit beabsichtigte Gelegenheit, in ganz unterschiedlicher Architektur der geheimnisvollen Wechselwirkung von Dunkelheit und Transzendenzerfahrung auf die Spur zu kommen. Der konnte sich verstohlen in dem manchmal nur mit Kerzen erhellten Raum in einer Ecke verschanzen, sich in einer Kirchenbank zum Gebet niederknien und sich mit allen Sinnen einer kontemplativen Stimmung überlassen. Oder aber er hatte die Möglichkeit, sich aktiv an dem zu beteiligen, was der jeweilige Gastgeber unter der Überschrift "Die Nacht – der Raum – die Stille" bot.

Und selbst wenn es ein "Nichts" war, auf das sich mehrheitlich die verantwortlichen Pfarrer im Stadtdekanat Köln und im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region ursprünglich einmal verständigt hatten, um den jeweiligen Ort für sich sprechen zu lassen, sollten die bis Mitternacht geöffneten Kirchenpforten dazu genutzt werden, nach Herzenslust die Atmosphäre, den Duft und die Erhabenheit großartiger Räume voller Geschichte und Leben, voller Mystik und Originalität einzuatmen. "Wir verbinden mit dieser Einladung der offenen Türen die Hoffnung, in dieser Nacht gemeinsam mit vielen anderen Menschen innerlich und äußerlich unterwegs zu sein und in ökumenischer Verbundenheit eine Spurensuche im Glauben zu gestalten", hatte Domdechant Robert Kleine im Vorfeld zu dieser Aktion formuliert, die in diesem Jahr zum 15. Mal stattfand.

Zwischen geistlichen Impulsen und "König der Löwen"

So beginnt Punkt 20 Uhr im Jugendpastoralen Zentrum "Crux" eine einstündige Lesung von biblischen Texten zu "Lebenslust", "Lebenszeit" und "Lebensfülle". Unterbrochen von Klaviermusik, die sich aus eingängigen Melodien mit Wiedererkennungswert – darunter beispielsweise die Filmmusik zu "König der Löwen" – zusammensetzt, sind diese Elemente für das altersgemischte Publikum ganz offensichtlich die richtige Wahl, um zu verweilen. Jedenfalls füllt sich die Kirche nach und nach immer mehr. Seit 2009 arbeitet Jugendseelsorgerin Kristell Köhler bei diesem Stadtdekanat-Projekt mit und weiß, dass gerade viele junge Besucher diesen Mixed aus geistlichen Impulsen und manchmal überraschend unkonventionellen Elementen besonders schätzen. Trotzdem gehört auch die zweistündige Ruhephase zwischen 21 und 23 Uhr dazu, die – wie in vielen anderen Innenstadtkirchen auch – im "Crux" wichtiger Bestandteil des Programms ist und die Idee einer primären Raum- und Stille-Erfahrung in den Vordergrund stellt.

In der evangelischen Trinitatiskirche singt vorne im Halbkreis die Gruppe "Sacred Harp Cologne" amerikanische Gesänge aus dem 19. Jahrhundert. Auch hier gibt es – wie im "Crux" – eine besondere Raumausleuchtung, die mit Kerzen und farbigen LED-Strahlern die einzelnen Architekturelemente des Gottesraumes, der keine Gemeinde und keinen Pfarrer hat, optisch ansprechend nachzeichnen. Wolf-Rüdiger Spieler, Programm- und Organisationsleiter dieser Konzertkirche, wartet noch auf Zuhörer, die ihren Weg an diesem Abend in den Filzgraben finden. Aber als regelmäßiger Teilnehmer an dieser jährlichen Initiative vertraut er auf die "Laufkundschaft" der Musikinteressierten, für die der Kirchenmusiker zur vorgerückten Stunde – laut Ankündigung – auf der Orgel Bach, Mendelssohn und eigene Improvisationen spielt.

Traditionelles "Bilderfasten" in St. Peter

In St. Peter ist Pater Stephan Kessler in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Ganz jesuitisch geht es um intellektuellen Austausch, aber auch um sinnliche Wahrnehmung. Im Mittelpunkt eines lebhaften Dialogs mit Jugendlichen – und doch nicht sichtbar, zumal mit einem großen weißen Tuch verhangen – steht das künstlerische Prachtstück der Kirche: die Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens. Pater Kessler hat sich an diesem Abend für die traditionellen Formen der Kirche entschieden: Glockengeläut, Abendlob, Meditation und große Stille. Ablenken kann davon nichts in dieser "Kirchennacht", in der St. Peter noch karger als sonst erscheint. Denn "Bilderfasten"– die Verhüllung des Altares, des Kreuzes und sogar der Apsisfenster – ist in der Fastenzeit immer Programm in der Kunststation am Neumarkt.

Die "reine" Form der Raumerfahrung

Auch eine solche beliebte "Fahr-Gemeinde", also Pfarrei ohne den festen Besucherstamm von Anwohnern, ist St. Maria in Lyskirchen mit Pfarrer Matthias Schnegg, zu dem die Gläubigen am Sonntagabend sonst durchaus auch von weiter her kommen. In dieser Freitagnacht allerdings ist die Resonanz verhalten; dabei ist das von Kirchenbänken leer geräumte romanische Kleinod unweit des Rheinufers eigentlich genau das, was Menschen mit dem Wunsch nach Stille und vielleicht sogar Gotteserfahrung suchen könnten. Hier dringt kein Lärm von außen ins Kircheninnere; hier lässt sich die Stille hören.

Die großen Kerzenleuchter im Zentrum lassen nur eben vermuten, welche anrührende Kunstschätze und Gewölbefresken sich bei Tageslicht dem Besucher offenbaren. Schnegg, der als Innenstadtpfarrer am Konzept der "Kirchennacht" von Anbeginn beteiligt war und sich bis heute für die "reine" Form von Raumerfahrung stark macht, harrt in seiner heimeligen kleinen Kirche mit der berühmten Milieu-Krippe bis Mitternacht aus und will ansprechbar sein. "Ich traue der Kraft dieser Räume zu", sagt er, "dass sie Begegnung – welcher Art auch immer – schaffen und dass man dafür nicht eigens etwas machen muss."

Gefragte Ausstellung "Pas de deux"

Überraschend viel Publikumsverkehr verzeichnet Kolumba. Während der Altar der Kapelle "Madonna in den Trümmern" um die Ecke in ein Lichtermeer roter Kerzen getaucht ist, hier nur sehr vereinzelt nächtliche Beter einkehren und die Minoriten Wache halten, verzeichnet Thomas Krobb vom Aufsichtspersonal des benachbarten Kunstmuseums ein "extrem großes Interesse" an der aktuellen Ausstellung "Pas de deux". Die ganze Nacht über gibt es ein Kommen und Gehen in dem offenen Museum. Diesmal hat Direktor Stefan Kraus zudem mit bewusst gedämmtem Licht eine ganz eigene Raumatmosphäre geschaffen. Und die Mitarbeiter sind gehalten, besonders darauf zu achten, dass die Besucher möglichst bedächtig und leise – ohne das oft störende Klingeln von Handys – durch die Säle auf Entdeckungsreise gehen. Wenn Museen die modernen Kathedralen des 21. Jahrhunderts sind, dann zeigt sich auch hier sehr eindrücklich – wie vielerorts in dieser Nacht der offenen Kirchen – ein ungestillter Hunger nach Auseinandersetzung mit dem "Woher" und "Wohin" und damit nach Antworten auf existenzielle Menschheitsfragen.

Beatrice Tomasetti


Lichtinstallation im Jugendpastoralen Zentrum "Crux" / © Beatrice Tomasetti (DR)
Lichtinstallation im Jugendpastoralen Zentrum "Crux" / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kirchenmusiker Wolf-Rüdiger Spieler spielt in der Trinitatiskirche Bach / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kirchenmusiker Wolf-Rüdiger Spieler spielt in der Trinitatiskirche Bach / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Gruppe "Sacred Harp Cologne" singt in der Trinitatiskirche / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Gruppe "Sacred Harp Cologne" singt in der Trinitatiskirche / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Spärliches Kerzenlicht in St. Maria in Lyskirchen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Spärliches Kerzenlicht in St. Maria in Lyskirchen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Madonna in den Trümmern / © Beatrice Tomasetti (DR)
Madonna in den Trümmern / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Museumsbesucher von Kolumba / © Beatrice Tomasetti (DR)
Museumsbesucher von Kolumba / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ausstellung "Pas de deux" in Kolumba / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ausstellung "Pas de deux" in Kolumba / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR