Laut Betroffenem Zander sei Thema Missbrauch für Kirche existenziell

Reformpläne verzögern sich

Der Sprecher der Betroffenen von Missbrauch in der EKD, Detlev Zander, fordert die schnelle Einführung von Anerkennungszahlungen an Opfer sexualisierter Gewalt. "Wir dürfen Betroffene nicht weiter in die Zukunft vertrösten".

Autor/in:
Franziska Hein
Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, fordert mehr Tempo bei den Anerkennungsleistungen. / © Jens Schulze (epd)
Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, fordert mehr Tempo bei den Anerkennungsleistungen. / © Jens Schulze ( epd )

Das sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kirche und die Diakonie wollen grundsätzlich ein einheitliches Verfahren für Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt, derzeit hakt es aber bei der Umsetzung.

Freigabe der Anerkennungszahlungen frühestens im März 

Eine entsprechende Richtlinie, die im vergangenen Jahr im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und
der Diakonie ausgehandelt wurde, liegt derzeit auf den Tischen der 20 Landeskirchenämter und 17 Diakonie-Landesverbände. Sie sollen bis Ende November dazu Stellung nehmen. Frühestens im März kann die Richtlinie endgültig vom Rat der EKD beschlossen werden. Ursprünglich war das Ziel, die Reformpläne für die Anerkennungsleistungen bis zur Tagung des evangelischen Kirchenparlaments Anfang November in Würzburg fertigzustellen.

Wut und Enttäuschung

Er verstehe, dass viele Betroffene darüber wütend und enttäuscht seien. Es habe ihn auch überrascht, dass die Landeskirchen nun noch einmal Stellung nehmen sollen, sagte Zander. Für ihn sei das nicht nachvollziehbar, da das Beteiligungsforum die Richtlinie bereits beschlossen habe und auch die EKD-Leitungsgremien die Richtlinie gebilligt hätten. Es mangele wie so oft an der Kommunikation.

Wenig Wertschätzung 

Zander ist einer der beiden Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum der EKD, das das zentrale Gremium für die Maßnahmen
zur Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist. Zander beklagte, er und seine Sprecherkollegin Nancy Janz würden mit der
Verantwortung allein gelassen, Betroffenen die weitere Verzögerung zu erklären. "Das ist ein Knochenjob. Die Hauptlast liegt bei uns. Und wir kriegen den vollen Unmut ab", sagte er. Dafür gebe es wenig Wertschätzung und Unterstützung der leitenden Geistlichen, die ebenfalls in dem Gremium vertreten sind.

Zander erwartet auf der bevorstehenden EKD-Synodentagung in Würzburg scharfe Kritik von Betroffenen. "Das muss die Synode
ertragen. Ich ertrage das auch jeden Tag", sagte er. Von den Delegierten wünschte er sich tiefgehende Diskussionen, wie mit der
Verantwortung für Fälle sexualisierter Gewalt in der Kirche gerade auf der Leitungsebene umgegangen werde. "Das Thema Missbrauch ist existenziell für die Kirche."

Synode findet Mitte November in Würzburg statt

Auf der Tagung der Synode der EKD vom 10. bis 13. November diskutieren die Delegierten erstmals die Ergebnisse der im Januar
veröffentlichten ForuM-Studie zu Ausmaß und Ursachen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
epd