Fehrs sieht Bewusstseinswandel beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt

"Kulturveränderung in Gang gebracht"

Beim Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt sieht die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, eine Kulturveränderung in der evangelischen Kirche. Es gebe nun eine höhere Sensibilisierung.

Autor/in:
Franziska Hein
Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht im Januar 2024 eine umfassende Studie zum Thema sexualisierte Gewalt / © Heike Lyding (epd)
Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht im Januar 2024 eine umfassende Studie zum Thema sexualisierte Gewalt / © Heike Lyding ( epd )

"Ich behaupte schon, dass seit Längerem ein Bewusstseinswandel stattfindet und es eine höhere Sensibilisierung gibt", sagte Fehrs dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies sei jedoch noch nicht überall gleich stark ausgeprägt.

Kirsten Fehrs mit EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar (KNA)
Kirsten Fehrs mit EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar ( KNA )

"Wir können nie ausschließen, dass sexualisierte Gewalt noch geschieht, aber insgesamt ist die Kulturveränderung in Gang gebracht", sagte die Hamburger Bischöfin. 

Es brauche Zeit, bis alle Pastorinnen und Pastoren und Ehren- wie Hauptamtliche geschult seien und Schutzkonzepte flächendeckend wirkten. 

Sexualisierte Gewalt  Thema bei Synode

Fehrs will sich im November bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Würzburg als Ratsvorsitzende zur Wahl stellen. Das Amt hatte sie nach dem Rücktritt von Annette Kurschus im vergangenen Jahr kommissarisch übernommen.

Das Kirchenparlament wird auch erstmals seit Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie zu Häufigkeit und Ursachen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie über die Ergebnisse diskutieren. 

Ein unabhängiges Forscherteam geht darin von mindestens 1.259 Beschuldigten, darunter 511 Pfarrer, und 2.225 Betroffenen sexualisierter Gewalt aus.

Fehrs: Historisierung von Taten darf es nicht geben

Die 63-jährige Theologin betonte, eine Historisierung der Taten, die zur Relativierung des Leids führe, dürfe es nicht geben. "Zugleich bleibt zu fragen, ob der Zeitpunkt der Taten gar keine Rolle spielt." Denn von den 511 beschuldigten Pfarrern und Kirchenbeamten in der Studie seien 500 vor dem Jahr 2.000 ordiniert worden. Solch eine historische Einordnung könne daher auch ein Hinweis darauf sein, dass sich in einer Institution etwas verändert habe, sagte Fehrs.

Die Studie habe viele Punkte bestätigt, an denen bereits gearbeitet werde, wie etwa die Anpassung der Anerkennungsleistungen, Änderungen im Disziplinarrecht oder der Aufbau eines Netzwerks für Betroffene, das vor einer Woche online gegangen ist. Auf der Synode soll nun ein Maßnahmenplan mit mehr als 40 Punkten vorgestellt werden, der die Empfehlungen der Forscher aufnimmt.

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
epd