Laut Missio-Sprecher hat Habeck in Indien Chancen vertan

Wirtschaft und Religionsfreiheit zusammendenken

Beim Indien-Besuch von Bundeswirtschaftsminister Habeck standen Handel, Energie und Klimaschutz auf der Agenda, Menschenrechtsverletzungen an Christen dagegen nicht. Ein Gastbeitrag dazu von Johannes Seibel, Pressesprecher von missio.

Indische Christen beten in einer Kirche / © Channi Anand (dpa)
Indische Christen beten in einer Kirche / © Channi Anand ( dpa )

Wir dürfen interessengeleitete und wertebasierte Wirtschafts- und Außenpolitik nicht länger als Gegensatz verstehen, wenn wir Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden verhindern wollen. Das hat gerade das Beispiel Indien gezeigt.

Habeck habe Gelegenheit verstreichen lassen

Grünen-Politiker Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, besucht am 20.07.2023 das Safdarjung Mausoleum während seiner Indien-Reise / © Britta Pedersen (dpa)
Grünen-Politiker Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, besucht am 20.07.2023 das Safdarjung Mausoleum während seiner Indien-Reise / © Britta Pedersen ( dpa )

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und eine deutsche Wirtschaftsdelegation haben die Gelegenheit verstreichen lassen, das künftig so notwendige, eben nicht moralinsaure Zusammendenken von Wirtschafts- und Menschenrechtspolitik in die Wirklichkeit umzusetzen.

Wir allen wissen: Hindunationalisten schüren in Indien seit Jahren eine feindselige Stimmung gegen Angehörige anderer Religionen. Dies führt zu diskriminierenden Gesetzen, lokaler Gewalt und einer zurückhaltenden Justiz und Polizei, die Minderheiten gegen Menschenrechtsverletzungen kaum schützen. Betroffen davon sind vor allem christliche und muslimische Gruppen.  Wer sie bedrängt oder gar verfolgt, zählt auf das Einverständnis der Regierungspartei BJP unter Premierminister Narendra Modi, die ideologisch im Hindunationalismus wurzeln.

Johannes Seibel, missio-Pressesprecher / © privat
Johannes Seibel, missio-Pressesprecher / © privat

Gerade im Moment eskaliert im nordostindischen Bundesstaat Manipur ein ökonomischer ethnischer Konflikt, der das ganze Land erschüttert - das "domradio" hat berichtet. Die Gruppen der mehrheitlich christlichen Naga und Kuki streiten mit den vorwiegend hinduistischen Meitei um Land- und Repräsentationsrechte. Hindunationalisten nutzen das und befeuern die Stimmung mit religiöser Propaganda.

Zuletzt Christin enthauptet und Tag medial inszeniert

Dabei wurden christliche Dörfer und Kirchen angegriffen und zerstört. Zuletzt wurde sogar eine Christin am 15. Juli von Meitei-Gruppen enthauptet und die Enthauptung medial inszeniert. Derzeit versuchen kirchliche Autoritäten und Menschenrechtsaktivisten, zu vermitteln. Auch hier spielen Entscheidungen der Regierung, der Justiz und das Nichthandeln staatlicher Organe wie der Polizei eine wichtige Rolle.

Westliche Nicht-Regierungsorganisationen, Kirchen oder Politikerinnen und Politiker - auch in Deutschland - weisen seit Jahren mit großer Sorge auf diese Verletzungen der Menschenrechte und insbesondere der Religionsfreiheit hin.

Sie setzen sich öffentlich für Betroffene ein, sprechen die Probleme gegenüber indischen Politikerinnen und Politiker öffentlich an, dokumentieren Menschenrechtsverletzungen, fordern Veränderungen. Das ist Teil einer wertebasierten Politik und richtig.

Kritik bewirkt bei Indiens Regierung immer weniger 

Gleichwohl verfängt und bewirkt die Kritik bei der Regierung Indiens immer weniger. Sie weist dies als Bevormundung und aus ihrer Sicht neue Spielart des alten westlichen Kolonialismus (Stichwort: "Menschenrechtsimperialismus") zurück. Indien kann sich das mittlerweile leisten.

Denn das Land ist geostrategisch bedeutsam, technologisch gut entwickelt, ein Player in der globalisierten Weltwirtschaft und vertritt selbstbewusst seine Interessen im politischen Spiel mit Russland, dem Westen und China. Indien – siehe Habeck-Besuch – ist ein gesuchter geostrategischer Partner.

Habeck hätte für religiöse Toleranz werben können

Das aber ist genau die Stelle, an der interessegeleitete Wirtschafts- und Außenpolitik auch im Sinne der Menschenrechte und Religionsfreiheit zusammengeführt werden kann. Für Robert Habeck und die deutsche Wirtschaftsdelegation hätte das in Indien bedeutet, für religiöse Toleranz zu werben.

Sie hätten gegenüber der indischen Regierung und Wirtschaft vortragen können, dass der Missbrauch von Religion durch Hindunationalisten gegen Angehörige anderer Religionen die öffentliche Sicherheit im Land (siehe Manipur) gefährdet, damit ausländische Investoren abschreckt und so letztlich den wirtschaftlichen Interessen Indiens schadet.

Das Beispiel zeigt: Kirchen, Politik und Zivilgesellschaften brauchen mehr Kreativität, interessegeleitete und wertebasierte Politik für eine wirksame Menschenrechtsarbeit - auch im Sinne der Religionsfreiheit - zu verbinden.

Johannes Seibel ist Pressesprecher des Internationalen Katholischen Missionswerkes missio Aachen e.V., das die katholische Kirche und interreligiöse Projekte in Indien unterstützt. 

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
DR