Nach Veröffentlichung des Münchner Gutachtens wird auch der Druck auf Bundesregierung und Bundestag größer, sich stärker an der Aufarbeitung von Missbrauch zu beteiligen.
Die Politik müsse "höchstes Interesse" an einem Gelingen des Aufarbeitungsprozesses haben, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag in Berlin. Dafür sei eine auf Dauer angelegte Begleitung des Prozesses notwendig.
Er sprach sich dafür aus, dass die unabhängige Aufarbeitungskommission gesetzlich verankert werden müsse. Sie müsse dann auch Aufarbeitungsprozesse in der evangelischen Kirche, im Sport oder im familiären Bereich begleiten. Rörig hatte die Kommission initiiert. Vor rund sechs Jahren hatte sie ihre Arbeit aufgenommen.
Sie soll Ausmaß und Folgen von Kindesmissbrauch in Deutschland untersuchen und führt dazu Anhörungen durch. Grundlage ihrer Einberufung war ein Beschluss des Bundestags.
Castellucci will Aufklärung vorantreiben
Bislang gibt es keine gesetzliche Verankerung ihrer Arbeit und ihre Laufzeit ist bislang noch bis Ende 2023 angesetzt. Im Bundestag ist es der SPD-Religionsbeauftragte Lars Castellucci, der sich derzeit am engagiertesten für eine stärkere staatliche Mitverantwortung bei der Aufarbeitung einsetzt und der dazu bereits einige Treffen mit den Religionsbeauftragten der anderen Fraktionen initiiert hat.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel-Koalition zunächst eine Aufwertung der Arbeit des Missbrauchsbeauftragten festgehalten. Sein Amt soll gestärkt werden, seine Arbeit gesetzlich geregelt und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag eingeführt werden, heißt es dort. Castellucci spricht sich wie Rörig dafür aus, auch die Arbeit der Aufarbeitungskommission zu verstetigen. Sie müsse aufgewertet werden und dafür die entsprechenden Mittel erhalten, erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete der KNA.
Er betonte zudem, dass die vor eineinhalb Jahren von Bischofskonferenz und Rörig unterzeichnete Gemeinsame Erklärung eine gute Grundlage für die Arbeit der Kommission sein könne. Dort wird den Bistümern ein einheitlicher Rahmen für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt vorgelegt. In fast allen Bistümern sind inzwischen Aufarbeitungskommissionen sowie Betroffenenräte eingerichtet.
Vertreter der katholischen Kirche offen für staatliche Aufarbeitungskommission
Auch Vertreter der katholischen Kirche zeigen sich inzwischen offen für eine staatliche Aufarbeitungskommission. Erst vor wenigen Tagen bekundete das etwa der Würzburger Bischof Franz Jung.
Von der Bundesregierung ging dazu bislang sehr wenig Initiative aus. Nach wie vor ist ein Nachfolger für das Amt des Missbrauchsbeauftragten nicht benannt; Rörig hatte angekündigt, nach zehn Jahren spätestens Ende Februar aus dem Amt zu scheiden. Auch der Vorsitz der Aufarbeitungskommission ist derzeit frei. Sabine Andresen hatte das Amt bereits im vergangenen Herbst niedergelegt.
Nach der Vorstellung des Münchner Gutachtens hatte ein Regierungssprecher lediglich betont, dass die Bundesregierung eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche erwarte.
Mertes hält staatliche Mithilfe bei Aufarbeitung für notwendig
Der Jesuit Klaus Mertes hat unterdessen erneut eine staatliche Beteiligung bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche gefordert. Das System könne sich nicht allein selbst reformieren, es brauche Unterstützung von außen, sagte Mertes am Donnerstagabend.
n diesem Zusammenhang übte er auch Kritik an der von der katholischen Kirche und vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung unterzeichneten "Gemeinsamen Erklärung". Derzeit sei die Aufarbeitung nicht wirklich unabhängig. Die Kirche müsse endlich "die Kontrolle loslassen", so Mertes.
Der Sprecher des Eckigen Tisches, Matthias Katsch, der am Erarbeiten der Gemeinsamen Erklärung mitgewirkt hatte, betonte, die Erklärung sei "der kleinste gemeinsame Nenner" gewesen. Eine Ursache liege in dem Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland. Diese besondere Nähe mache es anders als in vielen Ländern schwierig, eine Unabhängigkeit von außen zu erreichen.
Mertes und Katsch äußerten sich bei einer Veranstaltung des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (ipa) in Grafschaft-Lantershofen im Bistum Trier. Mertes und Katsch haben großen Anteil daran, dass vor zwölf Jahren der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche publik wurde. Sie wurden für ihr Engagement und ihre Verdienste im vergangenen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Gemeinsame Erklärung
Die Bischofskonferenz und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hatten sich vor eineinhalb Jahren auf die Gemeinsame Erklärung verständigt und sie unterzeichnet. Dort wird den Bistümern ein einheitlicher Rahmen für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt vorgelegt. In fast allen Bistümern sind inzwischen Aufarbeitungskommissionen sowie Betroffenenräte eingerichtet.