Wie die Pandemie den Rot-Kreuz-Einsatz in Afrika verändert

Leben retten trotz Corona

"Oft sind wir nicht nur Ersthelfer, sondern selbst Überlebende": Sie arbeiten an den gefährlichsten Orten der Welt: humanitäre Helfer in Afrika. Die Corona-Pandemie hat ihren Arbeitsalltag noch um einiges brisanter gemacht.

Somalische Frauen waschen ihre Hände während einer Coronavirus-Aufklärungsschulung / © Farah Abdi Warsameh (dpa)
Somalische Frauen waschen ihre Hände während einer Coronavirus-Aufklärungsschulung / © Farah Abdi Warsameh ( dpa )

Als Helfer in Somalia wird Mohamednoor Dube oft für seinen Mut bewundert. "Die Wahrheit ist, dass auch wir verwundbar sind. Oft sind wir nicht nur Ersthelfer, sondern selbst Überlebende." Seit fünf Jahren arbeitet Dube für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in dem Bürgerkriegsland, wo er die finanzielle Nothilfe für Bedürftige koordiniert.

"Das Land leidet unter Konflikt, Gewalt und den Folgen des Klimawandels. Unsere Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, den Menschen durch diese Krisen zu helfen." Normalerweise besucht er die Notleidenden persönlich, um sich ein Bild zu machen. Doch seit Corona arbeitet Dube von seiner Wohnung im Nachbarland Kenia. Hungernde und Vertriebene werden nun vom Home Office aus gerettet.

Bettenkapazität auf Hälfte reduziert

Covid-19 hat den Job-Alltag weltweit auf den Kopf gestellt. Für Krisenhelfer in Afrika bedeutet das Virus neben Bürgerkrieg, Heuschreckenplagen und Hungerkatastrophen eine weitere Herausforderung. Clara Okafor ist seit fünf Jahren beim Roten Kreuz. Als OP-Schwester arbeitet sie in der nigerianischen Stadt Maiduguri, Hochburg der islamistischen Miliz Boko Haram. Als der Terror 2009 begann, arbeitete sie als staatliche Pflegerin. "Wir mussten ansehen, wie Frauen und Kinder an Krankheiten starben, die an sich vermeidbar und heilbar gewesen wären."

Heute kümmert sich Okafor um Kriegsverletzte. Die werden meist mit Verbrennungen oder Schusswunden eingeliefert. Die Corona-Krise habe die Bettenkapazität in ihrem Flügel auf die Hälfte reduziert, erzählt sie. Seit Ausbruch des Virus gehe sie "mit gemischten Gefühlen" zur Arbeit. "Ich habe Angst um meine Familie. Zugleich weiß ich, dass ich mich als Gesundheitsarbeiterin dieser Pandemie stellen muss." Laut WHO sind bereits rund 10.000 Ärzte und Pfleger in Afrika an Covid-19 erkrankt.

Auch Marcos Jonge Assane muss besondere Schutzvorkehrungen treffen. Im Norden Mosambiks organisiert er die Verteilung von Hilfsgütern an Vertriebene, die vor islamistischen Kämpfern flohen. Wegen Social Distancing dauert eine solche Verteilung heute etwa eine Woche statt wie früher ein bis zwei Tage.

Lektion in Händewaschen und Abstandhalten

"Vor Covid-19 konnte ich mich mit den Familien zusammensetzen, eine Mahlzeit teilen, sie umarmen, wenn sie ihre Geschichte erzählten." Solche Gesten, die laut Assane Vertrauen zwischen Betroffenen und Helfern herstellen, sind heute tabu. Stattdessen gebe es eine Lektion in Händewaschen, Abstandhalten und dem richtigen Tragen von Masken.

Szenenwechsel, Südsudan: Als sein Heimatland vor neun Jahren unabhängig wurde, trat Geoffrey Bilal in den IKRK-Dienst ein. Der Bürgerkrieg, der die jüngste Nation der Welt seit 2013 bis kürzlich im Griff hatte, hinterließ Tausende Südsudanesen verletzt. Als Rollstuhltechniker bereiste Bilal das ganze Land und fertigte selbst im unerschlossenen Hinterland mobile Hilfsgeräte nach Maß an. "Wegen des Virus kann ich die Hauptstadt Juba nicht mehr verlassen. Für Patienten ist der Zugang zu körperlichen Rehabilitationsprogrammen stark eingeschränkt", erzählt er.

Den Konflikt humaner machen

Auch Johnson Taban Ufendis Alltag hat Corona grundlegend verändert. Seit 15 Jahren arbeitet er in Ostafrika mit bewaffneten Gruppen zusammen, zunächst in der sudanesischen Unruheprovinz Darfur, heute im Südsudan. "Ich bringe den Bewaffneten humanitäres Völkerrecht näher. Das bedeutet vor allem, wie jene beschützt werden müssen, die nicht an Kampfhandlungen teilnehmen: Verwundete, Kranke, Ergebene, Gefangene oder Zivilisten."

Motivation dafür schöpfe er aus seiner Vergangenheit. "Ich habe den Bürgerkrieg im Sudan durchlebt und verstehe das Leid, das der Konflikt verursacht." Umso härter traf ihn die Corona-Zwangspause. "Meine Arbeit mit Soldaten und anderen Bewaffneten findet vor Ort statt, in Baracken oder Armee-Übungszentren. Weil das Menschenansammlungen und lange Reisen bedeutet, konnten wir die Trainings nicht fortsetzen." Doch gemeinsam mit seinen Kollegen schwebt Ufendi schon eine neue Strategie vor, den Konflikt ein bisschen humaner zu machen: durch virtuelle Lehreinheiten für Soldaten und Rebellen über Soziale Medien.


Quelle:
KNA