Schaustellerpfarrer über ausgefallene Weihnachtsmärkte

"Leben und Arbeiten sind eine Einheit"

Im Advent sind erneut viele Weihnachtsmärkte abgesagt worden. Im Interview spricht der Leiter der katholischen Zirkus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland, Pfarrer Sascha Ellinghaus, über die derzeitige Lage und seine Arbeit während der Pandemie.

Schaustellerbetriebe sind die großen Verlierer der Pandemie / © Jens Büttner (dpa)
Schaustellerbetriebe sind die großen Verlierer der Pandemie / © Jens Büttner ( dpa )

KNA: Weihnachtsmärkte sind abgesagt oder weniger Besucher kommen. Wie geht es den Schaustellerinnen und Schaustellern?

Sascha Ellinghaus (Leiter der katholischen Zirkus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland): Zurzeit finden wir eine Situation vor, die den Schaustellern als ungerecht erscheint. Dadurch, dass in den südlichen Bundesländern die meisten Weihnachtsmärkte abgesagt sind und überhaupt keine Möglichkeiten der Einnahme bestehen, und im Norden und Westen vielfach die Weihnachtsmärkte geöffnet sind, entsteht eine große Ungerechtigkeit. Alle haben natürlich das Problem, dass sie 21 Monate nicht ihrer Lebensberufung nachgehen konnten, den Menschen Freude und Abwechslung zu bringen.

KNA: Was macht das mit den Betroffenen?

Ellinghaus: Das hat Einfluss auf den Geldbeutel, sie machen sich Sorgen um ihre Familien und um den Fortbestand der Betriebe. Aber es geht auch auf die Psyche, denn gerade bei Schaustellern ist Leben und Arbeiten eine Einheit. Man wohnt mit dem Wohnwagen in den meisten Fällen des Jahres auf der Arbeitsfläche. Und so ist das Nicht-Arbeiten-Können zu großen Teilen auch mit dem Verlust der sozialen Beziehungen verbunden. Das ist doppelt belastend.

Noch im November gab es alle Zeichen, dass man mit überschaubaren Einschränkungen in die Zeit der Weihnachtsmärkte und der Weihnachtszirkusse gehen könnte. Dann stiegen die Inzidenzzahlen stark und die Regelungen sind sehr schnell enger gezogen worden. So kamen die Absagen zu einem Zeitpunkt, wo schon eingekauft und investiert war. Ich habe in Freiburg noch bei einer jungen Schaustellerfamilie ein Nostalgie-Riesenrad, das sie übernommen haben, gesegnet. Eine Woche später schloss der Weihnachtsmarkt schon wieder.

KNA: Wie sieht Ihre Arbeit momentan aus?

Ellinghaus: Zum einen nehmen mehr Menschen mit uns Kontakt auf. Sie erzählen ihre Sorgen und Nöte gerne bei einem Seelsorger, weil man mit seinen Bedenken in der Familie nicht noch weitere Sorgen schüren will. Als die Kirmessen im Herbst wieder anliefen, war es darüber hinaus möglich, wieder mit unseren Gottesdiensten zu beginnen. Beim größten Volksfest an der Lippe hatten wir beispielsweise einen ökumenischen Gottesdienst auf der Autoscooterplatte. Auch jetzt, überall dort, wo Weihnachtszirkus und Weihnachtsmarkt gefeiert werden kann, wird nach Gottesdiensten gefragt.

KNA:Was wünschen sich die Schaustellerinnen und Schausteller denn gerade ganz konkret?

Ellinghaus: Natürlich haben gerade durch die kurzfristigen Absagen die finanziellen Nöte noch einmal zugenommen. Man muss bei Weihnachtsmärkten wie beim Weihnachtszirkus in große Vorleistung gehen. Man kauft die Ware nicht von Tag zu Tag, sondern man bestellt die Sachen, um für die ganzen vier, fünf, sechs Wochen gerüstet zu sein. Auch internationale Artisten für die Weihnachtszirkusse müssen lange vorher verpflichtet, Flüge vorher bezahlt werden, um über die Konsulate überhaupt ein Visum für die Einreise zu bekommen. Und das Geld kommt erst am Ende wieder rein. Da sind immense Kosten entstanden.

KNA: Und das in einer ohnehin schon angespannten Lage.

Ellinghaus: Seit 21 Monaten haben viele Schaustellerinnen und Schausteller keine - oder so gut wie keine - Einnahmen. Deswegen brauchen sie staatliche Unterstützung, um diese Ausgaben irgendwie wieder aufzufangen.

KNA: Wie geht es Ihnen persönlich mit dieser Situation in den letzten eineinhalb, zwei Jahren?

Ellinghaus: Gerade in einer Sonderseelsorge wie der Zirkus- und Schaustellerseelsorge hat man als Seelsorger natürlich eine hohe Identität mit seiner Gemeinde. Man sieht deren Sorge und deren Not. Die Schausteller haben großen Ideenreichtum, die Situation aufs Beste zu gestalten. Aber man merkt einfach, dass Ihnen ihr unbeschwertes Leben fehlt.

KNA: Was kann ein Seelsorger da tun?

Ellinghaus: Mit dem gutem Wort der Hoffnung und des Glaubens da sein. Aber ich leide selbstverständlich mit meiner Gemeinde mit und hoffe, dass 2022 die Reise, wie die Schausteller sie kennen, das Herausfahren im Frühling mit der Kirmes und auch die Zirkustourneen wieder möglich sind. Kirmes und Zirkus stehen für die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit des Lebens. Dafür leben diese Menschen. Und ich glaube, das brauchen sie auch: Ihr Publikum, ihre Besucher, damit die ganze Fröhlichkeit und Herzlichkeit, die sie ausstrahlen, wieder hergestellt wird. Und das betrifft natürlich auch den Pfarrer. Es wäre sozusagen auch meine große Freude, wenn sie wieder an ihr Lebenswerk in dieser Unbeschwertheit herangehen düften.

Von Nicola Trenz 


Pfarrer Sascha Ellinghaus, Leiter der Katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge / © Dieter Mayr (KNA)
Pfarrer Sascha Ellinghaus, Leiter der Katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge / © Dieter Mayr ( KNA )
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