Lebensschutzkampagne vor US-Zwischenwahlen

Katholiken und Evangelikale wittern Morgenluft

Mit Donald Trumps Bestätigung des zweiten konservativen Richters am US-Verfassungsgericht sehen sich Lebensrechtler vor dem Ziel. Gemeinsam mobilisieren Evangelikale und konservative Katholiken für die Kongresswahlen.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Abtreibungsgegner beim "March for Life" / © Andrew Harnik (dpa)
Abtreibungsgegner beim "March for Life" / © Andrew Harnik ( dpa )

Die Pro-Life-Aktivisten nennen es "Extrem-Akquise". Sie tingeln in Scharen übers Land und klopfen bei wildfremden Menschen an der Haustür. Weder Starkregen noch Hitze halten die Abtreibungsgegner ab, vor den Zwischenwahlen im November möglichst viele Wähler für ihre Sache zu gewinnen.

Joey Kurcucz steht stellvertretend für den Einsatz der Aktivisten. Der 24-Jährige, der es schon auf 2.600 Hausbesuche gebracht hat, erduldete dafür sogar eine schmerzhafte Bisswunde. Die Besitzer des Hundes hätten sich später selbst als Abtreibungsgegner zu erkennen gegeben. Also gewinnt Kurcucz der Attacke etwas Positives ab: "Sie waren pro life."

Besuch von Haushalten

Christlich-konservative Wahlkämpfer haben in den vergangenen Monaten laut US-Medienberichten rund 1,2 Millionen Haushalte besucht. Bis zu den Zwischenwahlen im November soll die Zwei-Millionen-Marke erreicht werden. An der Spitze der Abtreibungsgegner marschiert die "Susan B. Anthony List", eine überkonfessionelle Organisation, die in sechs besonders stark umkämpften Bundesstaaten Hunderte Mitglieder und Sympathisanten mobilisierte.

Politisch wollen die Aktivisten vor allem eines erreichen: durch die Wahl konservativer Abgeordneter und Senatoren die Abschaffung legaler Abtreibung abzusichern. Mit der Bestätigung Brett Kavanaughs als neuer Richter am obersten Verfassungsgericht gäbe es dort eine konservative Mehrheit, die sie nach rund fünf Jahrzehnten Gleichgewicht am Supreme Court auf das Kippen des US-Grundsatzurteils "Roe vs. Wade" von 1973 hoffen lässt.

Mehrheit beeinflussbar?

Zwei der eher liberalen Verfassungsrichter sind hoch betagt und könnten jederzeit ausscheiden. Trump erhielte so die Möglichkeit, nach Neil Gorsuch (50) und Kavanaugh (53) noch einen dritten konservativen Richter zu nominieren. Ein republikanisch geführter Kongress könnte die Bestätigung absichern.

Grundsätzliche gesellschaftspolitische Fragen ließen sich mit einer solchen Mehrheit auf lange Zeit in ihrem Sinne beeinflussen. "Auf diesen Moment haben sie lange gehofft", sagt die Präsidentin der sogenannten "Pro Choice"-Organisation NARAL, Ilse Vogue, die auf der Gegenseite für die Entscheidung der Frau mobilmacht.

Schwangerschaftsabbrüche in eigener Zuständigkeit

Dabei bleibt für beide Seiten vieles im Ungewissen. Selbst wenn das Verfassungsgericht das "Roe vs. Wade"-Urteil kippte, hätte das erst einmal lediglich den Effekt, dass die Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche in eigener Zuständigkeit regeln könnten.

Die Staaten haben allerdings schon heute die Möglichkeit, Abtreibungen Grenzen zu setzen. In Iowa etwa sind fast alle Schwangerschaftsabbrüche verboten, wenn ein Herzton des Fötus messbar ist. In Mississippi untersagt der Gesetzgeber Abbrüche nach der 15. Schwangerschaftswoche. In 17 weiteren Staaten gilt eine Frist von 20 Wochen. Die einflussreiche "Susan B. Anthony List" hofft auf mehr. Deshalb investiert sie bis November rund 25 Millionen Dollar (21,4 Millionen Euro) in ihre Kampagne; ein Viertel mehr als bei den Kongresswahlen vor zwei Jahren.

Katholiken im Blick

Ins Visier nimmt sie gezielt die Hispanics, die Abtreibungen stärker ablehnen als Weiße, aber von Donald Trumps Einwanderungspolitik abgeschreckt sind. Auch die rund 20 Prozent katholischen US-Bürger sind eine Zielgruppe. Umfragen zeigen kontinuierlich, dass viele Gläubige nicht die klare Position ihrer Kirchenführung teilen.

Tatkräftige Unterstützung bei der "Extrem-Akquise" leistet eine studentische Jugendbewegung, die sich "Generation für das Leben" nennt. Aktivisten kommen auch von der Ohio Christian Alliance, die in dem Wechselwähler-Staat Tausende Kirchengemeinden aufrufen, Druck auf ihre Abgeordneten auszuüben, um die Abtreibungsgesetze zu verschärfen. Zusätzlich motiviert die Aktivisten der gewachsene Einfluss der Lebensrechtler in Washington. Mit Mike Pence sitzt einer der ihren als Vizepräsident im Weißen Haus.


Quelle:
KNA