DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als Lehrerin und Schulseelsorgerin mit jungen Menschen. Sie hatten den Instagram-Kanal nicht konkret geplant. Der ist durch Zufall entstanden. Wie kam es dazu?
Vanessa Grbavac (Schulseelsorgerin und Lehrerin am St.-Nikolaus-Stift zu Kloster Füssenich): Wie fast alles Digitale hat Corona das ganz schön gepusht. Es gab schon vorab in unserer Schule einen Messengerdienst. Das war das Einzige, was wir hatten.
Darüber habe ich angefangen, kleine Impulse zu verschicken. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es schade ist, wenn das nur unsere Schulgemeinschaft sieht. Denn dann verlieren die Schüler, die uns verlassen, den Kontakt dazu.
Durch andere Schüler, die auch kleine Accounts haben, die Mut machen sollen, bin ich zu Instagram gewechselt. Eigentlich war das fast schon ein bisschen zu spät.
DOMRADIO.DE: Warum ein bisschen zu spät?
Grbavac: Ich habe das Gefühl, Instagram ist schon wie Facebook. Nicht ganz so schlimm, aber die Schüler fangen an zu TikTok und so umzuziehen. Deswegen glaube ich, war es genau der richtige Zeitpunkt, das vielleicht noch einmal ins Leben zu rufen.
DOMRADIO.DE: Welches Ziel haben Ihre Posts? Wollen Sie ins Gespräch kommen oder zum Nachdenken über den Glauben anregen?
Grbavac: Es sind zwei Dinge. Einmal möchte ich einen Impuls für unsere Schüler im Schulalltag geben. Glaube ist nicht nur etwas, das ich sonntags empfange und für die Woche nachwirken soll, sondern etwas, was meinen Alltag begleitet.
Das Smartphone hat man in der Hosentasche und immer dabei. Damit hat man auch ein bisschen Glauben in der Hosentasche immer dabei. Es geht aber auch darum, mit meinen Schülern in Verbindung zu bleiben, weil ich glaube, das ist noch mal eine andere Chance als eben nur im Unterricht oder in Wortgottesdienst. Das hat eine andere Verbindung, die man zwischen den Menschen schafft.
DOMRADIO.DE: Was beschäftigt die jungen Menschen in Bezug auf Glauben und Kirche?
Grbavac: Kirche spielt leider kaum eine Rolle, das muss man einfach sagen. Als Begriff ist sie eher abschreckend. Ich glaube aber, die Suche ist enorm. Ich bin jetzt seit zwölf Jahren in Füssenich in der Schule und ich merke diese Sinnsuche, die Suche nach Tiefe, die ist so stark wie sie, seitdem ich Lehrkraft bin, noch nie war.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn das Echo auf Ihren Kanal?
Grbavac: Es könnte größer sein. Wer das hört, ihr könnt gerne folgen. Ich merke, dass es ganz viele Schüler sind, die folgen und das freut mich am meisten. Man freut sich über jeden Follower. Das ist ganz schlimm. Ich hätte nicht gedacht, dass das so viel in einem auslöst, so dopaminmäßig.
Ich freue mich am meisten, wenn Schüler folgen. Für die war es in erster Linie gedacht. Für die Ehemaligen, die da auch bleiben. Das find ich schön. Wie gesagt, es könnte mehr sein.
Es gibt auch schon mal Anfragen, die echt skurril sind. Die sind oft nicht von Schülern, sondern von Leuten, die etwas klassischer unterwegs sind. Die üben gut Kritik und legen Trollverhalten an den Tag.
DOMRADIO.DE: Gehen die Meinungen von den Jugendlichen über religiöse Themen weit auseinander?
Grbavac: Ich glaube, dafür bin ich vielleicht noch nicht mutig genug, um das stärker anzuregen. Das könnte ich eigentlich mehr machen. Ich glaube, der Grundtenor ist, dass etwas Gutes sein kann und eine Ressource ist. Das ist bei vielen sehr ähnlich.
Das kann aber auch an meinen Inhalten liegen, die stärkend sein sollen und gar nicht so provokativ. Vielleicht traue ich mich das auch einfach nicht, weil ich Religionslehrer bin und fürs Erzbistum arbeite.
DOMRADIO.DE: Was ist ein Beispiel für ihren Inhalt? Vielleicht können Sie erzählen, was Sie zuletzt gepostet haben.
Grbavac: Mein letzter Post war über unsere Kapelle, die eröffnet wurde. Die eigentlichen Posts, die mir eine Herzenssache sind, sind die, bei denen man für bestimmte Themen sensibilisiert. Ich bin Beratungslehrerin bei uns.
Tabuthemen wie Trauer und Suizid sind Themen, die sich keiner so richtig traut auszusprechen. Ängste und Zweifel, die Schüler an einen herantragen, dass man dafür Raum und vielleicht auch einen kleinen Safe Space schafft.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie, was die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen interessieren könnte oder sagen die Jugendlichen selber, worüber sie gerne mehr erfahren würden?
Grbavac: Ich frag manchmal in Storys nach und da kommt wenig Resonanz. Ich habe das Gefühl, das kann ich auch von mir selber so ein bisschen bestätigen. Bei uns gibt es entweder Leute, die machen und Leute, die nur passiv sind.
Ich habe das Gefühl, meine Zuschauer sind recht passiv. Auch bei Umfragen ist es immer recht wenig. Ich gucke situativ, was gerade in der Schule los ist und was einen Denkanstoß geben könnte oder so ein bisschen Halt und Stärke gibt.
DOMRADIO.DE: Warum ist Gottgeflüster inzwischen zu einer Herzensangelegenheit für Sie geworden?
Grbavac: Ich glaube, das war vor dem Instagram-Account schon so. Ich bin selbst nicht stark religiös sozialisiert wurden. mittlerweile sage ich auch dazu, Gott sei Dank, weil ich ganz viele Sachen immer ein bisschen befremdlich fand und finde, was manchmal in Kirche passiert.
Ich habe auch nie an Jugendfreizeiten oder ähnlichem teilgenommen. Deswegen habe einen ganz anderen Zugang. Ich merke aber, dass die Botschaft gut ist. Der christliche Glaube hat da viel an Ressourcen zu bieten. Das in die Welt zu tragen, das ist auch mit einer kleinen Zahl an Followern total schön und wirklich eine Herzenssache geworden. Die Suche ist auf jeden Fall da, aber die Antworten sind zu gut versteckt.
Das Interview führte Dagmar Peters.