Der Kölner Dom wird in diesen Tagen zu einem Leuchtturm des Friedens: Bewegte Lichtprojektionen auf der Fassade erzählen von der Sinnlosigkeit des Krieges und künden von der Hoffnung und frohen Botschaft, dass Frieden möglich ist. Tausende Besucher füllten den Roncalliplatz am Dom, um der Feier teilzuwohnen.
Bei seiner Begrüßung erinnerte Dompropst Gerd Bachner an das unendliche Leid und die Gräuel, die der Erste Weltkrieg, die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", über die Menschheit gebracht habe. Soldatenzüge seien über die Hohenzollernbrücke am Dom vorbei an die Front gerollt; "im Zehn-Minuten-Takt, 30.000 am Tag. Und an der Front wurden diese Soldaten erschossen im Sekundentakt, vergiftet mit Gas, überrollt von Panzern, auf hoher See torpediert und ertränkt, von Granatsplittern verletzt und grausam entstellt."
Bachner erinnerte auch daran, dass das Licht am Dom vor drei Jahren aus Protest gegen extremistische und rechtspopulistische Strömungen ausgeschaltet wurde. Und auch heute, 100 Jahre nach Ende des Krieges, sei die Welt kein friedlicher Ort. Die Rüstungsausgaben stiegen, das Recht des Stärkeren werde an vielen Orten ungehemmt ausgelebt. Daher solle an diesen Tagen die Botschaft von Köln in die Welt gehen: "Keine Abschottung von den Nöten der Geflüchteten, Abrüstung statt Aufrüstung, Vertrauen statt Misstrauen, Dialog statt Entzweiung, Vergebung statt Vergeltung." Köln und der Kölner Dom stünden, so Bachner, für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion und Kultur, für den Frieden.
Laschet: "Der Feind steht rechts!"
In seinem Grußwort lobte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die friedensstiftende Leistung der Kirche nach den Weltkriegen. Nach Kriegsende sei der Friede brüchig gewesen, weil es in der damaligen Demokratie an Demokraten gefehlt habe. Dies müsse eine Mahnung sein. Gleichzeitig warnte er vor populistischen Strömungen in Deutschland und Europa. "Sage keiner, heute sei politische Radikalisierung nicht mehr möglich", so Laschet. Er habe es nicht für möglich gehalten, dass gegenwärtig wieder für Demokratie, Toleranz und Meinungsfreiheit gekämpft werden müsse. Sprüche bei Demonstrationen in Dortmund und Chemnitz wie "Nationalsozialismus jetzt" oder "Wer sein Land liebt, ist Antisemit" dürften nicht geduldet werden.
Dabei sei klar, aus welcher Richtung die Gefahr für Demokratie und Frieden komme: "Der Feind steht rechts!" Die Weltkriege blieben eine dauerhafte Mahnung dafür, was sonst geschehen könne.
An dem Eröffnungsabend nahmen auch Gäste aus Frankreich und Großbritannien ein, den einstigen Kriegsgegnern des Deutschen Reiches. Nach den Worten des Kurators Helmut Bien ist es "die größte Lichtinstallation, die es in Deutschland je auf einer Kirche gegeben hat". Hunderte Menschen folgten der Einladung der Pfadfinder und zündeten ein Friedenslicht an, so dass der Roncalliplatz zu einem Lichtermeer wurde.
Schwan: Lage dramatisch
In ihrer Ansprache warnte Prof. Dr. Gesine Schwan, ehem. Präsidentin der europa-Universität Viadrina, vor einem Wiedererstarken populistischer Parteien. Die Lage sei viel dramatischer, als sich viele heutzutage klarmachten, so Schwan. Die Bürgerinnen und Bürger müssten sehr schnell handeln, weil den Europäern schon im nächsten Jahr bei der Wahl zum Europäischen Parlament, ansonsten "die Scherben vor die Füße" flögen. Die wichtigste Frage unserer Tage sei die Frage der Integration und der gerechten Verteilung der Geflüchteten auf die Länder Europas. Niemals dürften sich die Menschen mit den Tausenden Toten im Mittelmeer zufrieden geben, ansonsten drohe eine "Zerstörung unserer Humanität".
Städte wie Köln, Bonn, Düsseldorf hätten gezeigt, so Schwan, dass sie gastfreundlich sein können und wollen, durchaus auch aus eigenem Interesse. Schwan forderte zur Befriedung der Atmosphäre ein Mitbestimmungsrecht der Kommunen und Bürgerinnen und Bürger bei der Verteilung der Geflüchteten. Der Wettbewerb zwischen den einheimischen Armen und den zugewanderten Armen müsse ein Ende haben, damit der gesellschaftliche Frieden erhalten bleibt.
"Die Mutterstadt lebt alle ihre Kinder"
Der Psychologe Stephan Grünewald hielt ein Plädoyer für Toleranz und Völkerverständigung. Der Gründer las aus dem Brief eines Frontsoldaten: "Alle Kultur, alle Eigenheit geht zum Teufel. Alles, was es auf der Welt Schreckliches gibt, habe ich gesehen", zitierte Grünewald und setzte den Kriegserfahrungen die Begriffe "Mutterland" und "Heimatstadt" entgegen.
Beide - Mutterland und Heimatstadt - blickten gütig auf ihre Kinder und stünden für das Leben, betonte Grünewald und flocht unter anderem ein Zitat aus einem Lied der Bläck Fööss ein: "Leben heißt nicht Eroberung, Unterwerfung und Sieg um jeden Preis. Leben heißt Verzäll, zusammen ein Kölsch trinken, arbeiten und gemeinsam singen, sich necken und verlieben und an einem lauen Sommerabend stillvergnügt auf dem Heimweg anfangen zu knutschen.“ Die Mutterstadt sehe und liebe alle ihre Kinder, unabhängig von Rasse und Nationalität, betonte Grünewald. In Köln sage man deshalb: "Wir sind alle jeck." Der andere Jeck werde nicht als Feind, sondern als Leidensgenosse gesehen.
"Ein Europa für den Frieden"
Eine Mahnung, die Erinnerungskultur weiter wach zu halten, sprach der Vizepräsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Wieland aus. Deutschland erlebe gerade einen "Angriff aus der ganze rechten Ecke", erklärte Wialand mit Blick auf die AfD. Das sinnlose Sterben von zwei Weltkriegen dürfe sich nicht wiederholen. Statt dessen müsse Europa gestärkt und seine Bedeutung für den Frieden immer wieder betont werden.
Die 15-minütige Projektion der beiden Medienkünstler Detlef Hartung und Georg Trenz thematisiert im ersten Teil den Ersten Weltkrieg mit besonderem Blick auf die "Heimatfront Köln" und ruft im zweiten Teil zum Frieden in der Welt auf. Dazu erklingen musikalische Auszüge aus dem Requiem Nr. 1 in c-Moll von Luigi Cherubini und das "Dona nobis pacem" aus der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Die Projektion finden bis Sonntag an jedem Abend zur jeden halben Stunde statt.