DOMRADIO.DE Wie stehen Sie zum Hinweis, den der Duden bei der ersten Änderung hinzugefügt hat?
Aaron Knappstein (Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Köln und Präsident der jüdischen Karnevalsgesellschaft "Kölsche Kippa Köpp"): Also ganz ehrlich muss ich Ihnen sagen, dass ich das bei der ersten Änderung gar nicht so mitbekommen habe, sondern mich jetzt erst in den letzten Tagen damit beschäftigt habe. Aber als ich das gelesen habe: Das ist schon schlimm, dass so zu lesen noch mal schwarz auf weiß, dass das als diskriminierend genutzt wird.
Ich meine, es ist einem natürlich bewusst und man hat das auch schon gehört, aber das noch mal so zu sehen und dass man sozusagen bestimmten Gruppen oder auch Einzelpersonen oder Bewegungen erlaubt, das so zu definieren im Ende, dass man das in den Duden übernimmt, das war schon ein Schlag ins Kontor, würde ich sagen.
DOMRADIO.DE Die Kritik am Duden kommt von verschiedenen Seiten und fällt natürlich auch dementsprechend unterschiedlich aus. Wie diskutieren Sie die Änderung des Eintrags in Ihrer Gemeinde?
Knappstein: Ich würde sagen, die meisten Juden und Jüdinnen sagen einfach: Das ist ja einfach das, was ich bin. Das jetzt irgendwie nicht zu nutzen oder anderen zu überlassen, das zu definieren – und damit meine ich jetzt gar nicht primär den Duden, sondern eben die Menschen, die versuchen, es diskriminierend zu nutzen und auch auf der Straße nutzen. Denen das zu überlassen, das missfällt eigentlich allen Menschen, mit denen ich darüber gesprochen habe. Und das ist meiner Meinung auch die richtige Einstellung: Man darf das nicht anderen überlassen. Das ist, finde ich, ein ganz wichtiger Punkt.
DOMRADIO.DE Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich ja auch für die Verwendung des Begriffs "Jude" und "Jüdin" ausgesprochen und gleichzeitig auch auf alternative Formulieren aufmerksam gemacht, wie zum Beispiel: "Ich bin jüdisch". Was meinen Sie dazu?
Knappstein: Ich glaube, so im Alltag und wenn die Menschen unterwegs sind und darüber sprechen, dann gibt es diverse Nutzungen des Wortes "Jude" und "Jüdin", und auch "ich bin jüdisch". Ich glaube, dass sich da viele Menschen jüdischen Glaubens gar nicht so viele Gedanken machen.
Ich möchte nur noch mal sagen: Was ganz schwierig wird, ist, wenn man uns vorschreibt, das Wort in bestimmter Art und Weise nicht mehr nutzen zu dürfen, weil andere damit diskriminieren. Dieser Weg ist definitiv der falsche.
DOMRADIO.DE Bischof Neymeyr ist für die Bischofskonferenz der Kontakt zum jüdischen Glauben. Er kritisiert auch die Alternative "Menschen jüdischen Glaubens". Die würde Menschen, die zwar zum Judentum gehören, aber nicht gläubig sind, ausschließen. Ist das auch ein Punkt für Sie?
Knappstein: Auf jeden Fall. Das merke ich schon bei Freundinnen und Freunden, die sich selber als nicht gläubig bezeichnen. Dass das über diese Definition geht, ist auf jeden Fall für einige Jüdinnen und Juden definitiv schwierig.
DOMRADIO.DE: Gibt es nicht auch Menschen, die mit der Formulierung "Mensch jüdischen Glaubens" versuchen das Wort "Jude" zu vermeiden?
Knappstein: Ich meine, ich bin Jahrgang 1970 und während meiner Schulzeit war das kein Schimpfwort. Das kam ja auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, wo das wirklich so genutzt wurde. Und ich finde einfach, da muss man jetzt gegenhalten. Da muss man versuchen, durch Aufklärung den Menschen zu zeigen, wie es wirklich ist, dass wir als uns als Jüdinnen und Juden verstehen, so müssen wir auftreten.
Denn da werden ganz schnell irgendwelche Wörter draus. Dann heißt es nachher wieder "jüdische Mitbürger". Und dann sind wir an einem Punkt, wo wir so weit ausgeschlossen werden, dass das ein Weg ist, den wir definitiv nicht gehen wollen.
DOMRADIO.DE Der Duden hat inzwischen ja wieder reagiert. Der Eintrag wurde auf der Internetseite geändert. In einem "besonderen Hinweis" wird auf die Diskriminierung hingewiesen und erklärt, dass das Wort Jude an sich aber nicht problematisch ist. Sind Sie mit der Änderung jetzt einverstanden? Was denken Sie darüber?
Knappstein: Ich kenne mich natürlich jetzt nicht so hundertprozentig aus mit der Aufgabe des Dudens in jeder Art und Weise. Es ist auf jeden Fall besser als vorher. Die Frage ist aber: Muss man es aufgreifen, wenn eine kleine Minderheit anfängt, das diskriminierend zu nutzen? Vielleicht muss man es. Keine Ahnung. Dazu müsste ich mehr wissen, aber es ist auf jeden Fall eine Verbesserung zu vorher.
Das Interview führte Michelle Olion.