Davor warnte der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit im Interview der Wiener Presseagentur Kathpress am Freitag. "Das entsteht nicht zufällig, fällt also nicht vom Himmel, sondern ist das Ziel der maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren."
Fassungslosigkeit über Verharmlosung
Allein schon der Missbrauch von Judensternen sei verstörend, "ja empörend und völlig inakzeptabel", so der emeritierte Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zuletzt hatten Teilnehmer von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen Judensterne mit dem Schriftzug "ungeimpft" getragen.
Jeder wisse, "was Judensterne bedeuten, welche grausamen Erinnerungen damit geweckt und wie hier Ausgrenzung, Entwürdigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Menschen verharmlost werden", so Jäggle. Durch solchen Missbrauch werde sichtbar, dass die sogenannte "Aufarbeitung" der Geschichte zu wenig in der Gesellschaft angekommen sei.
"Gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung"
Antisemitismus, Verschwörungstheorien und NS-Verharmlosung könnten sich dort ausbreiten, "wo der Schock über die Schoah zu wenig tief sitzt, der Schmerz über die Lücke, die Ermordete und Vertriebene hinterlassen haben, zu gering ist und die Freude über das aufblühende jüdische Leben völlig fehlt", erklärte der Theologe. Daher brauche es eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung, sonst bleibe etwa auch der Nationale Aktionsplan gegen Antisemitismus bloßes Papier, sagte er mit Blick auf Österreich.
Für die Kirche, deren Haltung grundsätzlich klar sei, mahnte Jäggle dennoch eine Selbstreflexion an. So sei es lohnend, sich mit Judentum als Thema in Liturgie und Verkündigung zu befassen, aber auch mit antijüdischen Darstellungen in Kirchen auseinanderzusetzen.
Jäggle äußerte sich im Vorfeld des "Tages des Judentums" der Kirchen in Österreich am 17. Januar. Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit wurde 1956 vom Wiener Kardinal Franz König gegründet. Der Vorstand ist zu je einem Drittel jüdisch, evangelisch und katholisch besetzt.