Bei eisigen Temperaturen im Kölner Dom erlebten die Zuhörer poetisch-erotische Texte, die die Herzen wärmten und deutlich machten, dass die Liebe alle Religionen verbindet. Die philosophisch-lyrischen Texte des bedeutendsten Mystikers und Gelehrten Rumi aus dem 13. Jahrhundert erzählen von der Liebe als gewaltige Macht, ohne die die Welt eines Tages untergeht.
Da im Persischen nicht zwischen der oder die Geliebte unterschieden werden kann, bleibt es offen, um welche Liebesbeziehung es sich handelt – zwischen Menschen oder zwischen Gott und einem Menschen. Den Gottesmann beschreibt er zum Beispiel als ein Mann, der "ohne Schwert ein Held ist". Er sei "Himmelspost".
Humorvolle Texte
Der Kaufmannssohn und bedeutende Mystiker Hafis („der, der den Koran auswendig kann“) aus dem 14. Jahrhundert war ein Moslem, der nicht am Buchstaben des Koran klebte und eher eine dem Menschen zugewandten Auslegung vertrat. Seine Texte waren zum Teil sehr humorvoll. Zum Beispiel, wenn die Geliebte immer Ja und Nein sagt und ihr Verehrer verzweifelt gegen dieses Bollwerk der Unentschiedenheit versucht anzurennen. Da hatten auch die Vertreter des Domkapitels in der ersten Kirchenbankreihe viel Spaß.
Sehr erotisch waren die ausgewählten alttestamentarischen Texte aus dem Hohen Lied. Sie stammen aus dem 3.bzw. 4. Jahrhundert vor Christus und entrückten mit ihren bildreichen Beschreibungen der alle Sinne und Leidenschaften umfassenden Liebe das Publikum in wunderschöne Erlebniswelten aus der Welt des Orients. Gottesliebe und Menschenliebe werden in ihnen eins.
Jasmin Tabatabai list mit Katharina Thalbach
Großartig waren die Rezitatoren. Die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai trug gleich zu Anfang einen Text von Hafis im Originalpersisch vor und ließ so den poetischen Zauber dieser Sprache erklingen. Die markante Stimme von Gustav Peter Wöhler war ein gutes Pendant. Katharina Thalbach verlieh mit rauchig-beschwörender Stimme den persischen Texten magische Qualität.
Nach Ende der Lesung sagte sie: "Es war kalt, aber trotzdem erhebend. Ich bin eine große Verehrerin des Doms schon seit Jahrzehnten. Und es war wirklich eine Ehre für mich, wenn’s nicht so verdammt kalt gewesen wäre". Jasmin Tabatabai war sehr beeindruckt, wie sie die persische Literatur vorgetragen hat. "Unglaublich", sagte sie.
Verbindende Brücke
Auch Dompropst Bachner war sehr bewegt von dieser historischen Lesung im Kölner Dom: "Das hat mich so tief beeindruckt, dass ich das erst einmal verinnerlichen muss. Die Liebe, das Leben, den Glauben, das alles schwingt da ja mit im interreligiösen Dialog". Für ihn ist kann auch die Lyrik der beiden "Mystiker-Dichter" Rumi und Hafis eine Quelle und eine interreligiös verbindende Brücke werden für alle Gläubigen in ihrem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, gegen Hass und Gewalt.