Um den heiligen Martin rankt sich reiches Brauchtum

Lieder - Lichter - Lecker

In den kommenden Tagen ziehen wieder Laternenumzüge im Gedenken an den heiligen Martin durch die Städte. Die Popularität des Mannes, der der Legende nach seinen Mantel mit einem Armen teilte, ist auch heute noch groß.

Autor/in:
Joachim Heinz
Sankt Martinszug in Bonn Beuel / © Melanie Pies (KNA)
Sankt Martinszug in Bonn Beuel / © Melanie Pies ( KNA )

"Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir": Landauf, landab ziehen in diesen Tagen kleinere und größere Menschen mit bunten Laternen hinter einem als römischem Soldaten verkleideten Reiter und seinem Pferd her. Die Umzüge erinnern an eine der wohl populärsten Figuren der katholischen Kirche: den heiligen Martin.

Geboren wurde Martin 316/317 im heute ungarischen Szombathely. Als Jugendlicher trat der Sohn eines Offiziers der römischen Armee bei. Er wurde Christ und errichtete im heutigen Frankreich eines der ersten Klöster des Abendlandes. Später wählte ihn das Volk zum Bischof von Tours.

"Dort oben leuchten die Sterne"

Schon zu Lebzeiten wurden Martin, der am 8. November 397 starb, viele Wunder bis hin zur Wiedererweckung von Toten nachgesagt. Eine Szene, die am Stadttor von Amiens stattgefunden haben soll, ist bis heute besonders präsent: Martin sah am Straßenrand einen frierenden Armen, teilte mit einem Schwert seinen Mantel und schenkte dem Mann die Hälfte. "Dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir": Licht spielt bei vielen Festen in der dunklen Jahreszeit eine wichtige Rolle. Oft enden Martinszüge an einem großen Feuer, wo nicht selten auch die Begegnung mit dem Bettler nachgespielt wird.

Sankt Martin auf dem Pferd / © Markus Nowak (KNA)
Sankt Martin auf dem Pferd / © Markus Nowak ( KNA )

Dass sich gerade um den Martinstag so viele Bräuche und Rituale ranken, hat laut Angaben von Katrin Bauer allerdings auch ganz weltliche Gründe. "Der 11. November war früher ein Zinstermin, an dem beispielsweise auch der Gesindewechsel stattgefunden hat", sagt die Volkskundlerin vom Institut für Landeskunde des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Knechte und Mägde wurden dann von den Höfen verabschiedet - gern mit einer Extraration Lebensmitteln, beispielsweise in Gestalt einer Gans.

Mit schwarzem Humor

Gans? Genau, da war doch was! Das Tier spielt nämlich auch in einer der zahlreichen Martinslegenden eine Rolle. Weil dieser nicht zum Bischof gewählt werden wollte, versteckte er sich angeblich in einem Gänsestall. Dort führte das Federvieh durch sein Geschnatter die Suchenden auf die richtige Spur. 

"Sie haben Sankt Martin verraten, drum müssen sie jetzt braten", heißt es mit schwarzem Humor über den weißen Vogel. Im Rheinland und vor allem in der Gegend um Speyer greift die verbreitete Tradition des Martinssingens die Idee des Teilens auf, die sich in der Erzählung von Martins Mantelhälfte manifestiert.

Dabei gehen Kinder singend von Haus zu Haus, um im Gegenzug Süßigkeiten zu erhalten. Solche "Heischebräuche" sind seit dem Spätmittelalter belegt und kommen auch im Zusammenhang mit anderen kirchlichen Festen wie Weihnachten und Ostern vor, sagt Expertin Bauer.

"Kesselsknall", "Knüles" oder "Dibbelabbes"

"Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus": Daheim in der guten Stube wartete traditionell Fettgebackenes und Kalorienhaltiges. Denn: "Am 11. November begann die vorweihnachtliche Fastenzeit", weiß Volkskundlerin Bauer. Da plünderten die Vorfahren ihre verderblichen Vorräte, die sie in den kommenden Wochen nicht mehr anrühren durften.

Weckmänner mit Pfeife / © Jörg Loeffke (KNA)
Weckmänner mit Pfeife / © Jörg Loeffke ( KNA )

Und ersannen allerlei Leckereien wie Martinsküchlein mit Rosinen, "Gebildebrote" wie den Weckmann oder deftige Spezialitäten namens "Döppekooche", "Kesselsknall", "Knüles" oder "Dibbelabbes".

Die Topfkuchen wurden früher meist in ärmeren Gegenden wie dem Hunsrück, der Eifel, dem Westerwald oder der Pfalz als Gans-Ersatz gereicht. Heute gelten sie dem Liebhaber deftiger Hausmannskost als Delikatesse. 

Die Waage sollte nach derartig kalorienreichen Genüssen allerdings besser nicht angesteuert werden. Wen das schlechte Gewissen plagt, schlage lieber einen weiten Bogen darum, frei nach der Devise: "Denn wir müssen weitergeh'n. Rabimmel, rabammel, rabumm!"

Sankt Martin, Bischof von Tours

Der heilige Martin steht für Solidarität und Aufmerksamkeit gegenüber Randgruppen. Er ist Patron der Bettler und Geächteten.

Sankt Martin / © jorisvo (shutterstock)
Quelle:
KNA