Es sei unverständlich, dass der 1921 ermordete Zentrumspolitiker über Jahrzehnte so sträflich ignoriert worden sei, sagte Wolfgang Schäuble im Interview mit der "Südwest Presse". "In Berlin gibt es bis heute keine Erzbergerstraße", beklagte der Bundestagspräsident.
Matthias Erzberger habe als Reichsfinanzminister Großes geleistet. "Und er hat sein Leben gelassen für die Demokratie." Daran, dass er später so wenig gewürdigt wurde, "kann man erkennen, wie lange Verleumdungen doch nachwirken".
Erst verbale Aggression
Schäuble zog auch Parallelen zu dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019. "Wohin verbale Aggression führen kann, und dass wir den Anfängen wehren müssen, das können wir aus der Geschichte lernen", sagte Schäuble.
Erzberger zentrale Hassfigur
Matthias Erzberger stammt aus dem baden-württembergischen Münsingen-Buttenhausen und war Politiker der katholischen Zentrumspartei. Als Minister unterzeichnete er 1918 den Waffenstillstandsvertrag und beendete damit faktisch den Ersten Weltkrieg.
In der Zeit der Weimarer Republik wurde Erzberger deshalb zu einer zentralen Hassfigur der politischen Rechten im Zuge der "Dolchstoßlegende". Nach jahrelanger Hetze gegen seine Person wurde er am 26. August 1921 bei Bad Griesbach im Schwarzwald von zwei Ex-Marineoffizieren der rechten Organisation Consul erschossen.