KNA: Monsignore Delville, Sie haben vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass Sie ein bisschen «Angst» vor Ihrer neuen Aufgabe hätten. Warum?
Delville: Das Bistum Lüttich ist groß, und das Amt des Bischofs dort zu übernehmen, ist eben auch eine große Aufgabe. Ich komme ja aus der akademischen Welt und hatte bisher nicht so viel mit Organisation und Verwaltung zu tun. Ich hatte daher zunächst auch nicht gedacht, dass ich gewählt würde. Aber viele Menschen haben mir ihr Vertrauen ausgesprochen, und inzwischen freue ich mich natürlich auf meine Aufgabe.
KNA: Was erwarten die Menschen von Ihnen?
Delville: Ich stelle fest, dass viele froh sind über eine neue Perspektive, so wie sie sich den katholischen Christen nach der Wahl von Papst Franziskus bietet. Sie finden es wichtig, dass der soziale Aspekt, die Ausrichtung auf die Armen seitens der Kirche mehr betont wird.
KNA: Das ist also auch Ihre Priorität?
Delville: Mich für die Armen einzusetzen, ist mir sehr wichtig. In Lüttich gibt es zum Beispiel ein Restaurant, in dem jeden Samstagmittag Essen für sozial schwache Bürger ausgegeben wird. Ich bin dort bereits gewesen und hoffe, jede Woche hingehen zu können. Es ist mir wichtig, einen direkten Kontakt, eine Freundschaft mit diesen Menschen herzustellen. Viele, die auf der Straße leben, sind ausgegrenzt, mutlos, depressiv. Bei solchen Gelegenheiten der Zusammenkunft bieten wir ihnen eine Art Familie. Wir können sie auch im Einzelfall zu kirchlichen und sozialen Beratungsstellen und Einrichtungen weiterleiten. Insgesamt denke ich, ist es wichtige Aufgabe der Kirche, der mangelnden Solidarität und Gleichgültigkeit gegenüber anderen zu begegnen, die für unsere heutige Gesellschaft leider prägend sind.
KNA: Sie haben öffentlich auch schon gesagt, dass Sie die Rolle der Frau in der Kirche stärken wollen.
Delville: Ja, das stimmt. Die Frauen haben in der Gesellschaft eine neue Rolle, die Kirche muss ihnen daher auch einen neuen Platz geben. Ich finde es wichtig, etwa in der religiösen Ausbildung Frauen einzusetzen.
KNA: Mit Belgien wird stets das Problem Sprachenstreit verknüpft. Sind Sie damit im Bistum Lüttich auch konfrontiert?
Delville: Zunächst einmal nicht, denn wir haben hier keine flämische Gemeinschaft, sondern nur die wallonische und die deutschsprachige Gemeinde. Und das Verständnis untereinander ist gut. Ich bin ohnehin optimistisch, dass es in Belgien mit den jüngsten politischen Entwicklungen einen besseren Ausgleich unter den Sprachengruppen geben wird.
KNA: Wie kann die Kirche in Belgien dazu beitragen?
Delville: Ich denke, die Kirche kann ein Beispiel geben. So gibt es nur eine einzige Belgische Bischofskonferenz, in der sich flämische und frankophone Vertreter gut miteinander verständigen.
KNA: Sie selbst sprechen ja neben Ihrer Muttersprache Französisch auch Niederländisch, Deutsch, Englisch und Italienisch.
Delville: Ja, und ich weiß daher, wie wichtig es ist, die Sprache des Anderen zu sprechen und einander zu verstehen. Dabei sind Kenntnisse der jeweiligen Geschichte von großer Bedeutung, die ich als Historiker natürlich habe. Leider bin ich im Deutschen nicht perfekt und kann einzelne Dialekte nicht gut verstehen, die für die Menschen und ihre Identität sehr wichtig sind. Aber ich werde versuchen, in meiner Freizeit Deutsch noch besser einzuüben.
Das Gespräch führte Monika Hoegen.